Montag, 5. Mai 2014

Crosby, Stills, Nash & Young - Ohio

erschossener Student Jeffrey Miller; Quelle: Wikipedia

4. Mai 1970. Zwei Jahre lang war Richard Nixon Präsident der Vereinigten Staaten, doch von seinem Versprechen, den Vietnam-Krieg zu beenden, war er weiter denn je entfernt. Der Guerilla-Taktik der Nordvietnamesen waren seine Truppen im Dschungel Süd-Vietnams unterlegen. Nur mit Mühe hielten seine Truppen die Stellungen. Zwischen Mangrovensümpfen und Reisfeldern  bot ein strategischer Zwerg der Supermacht die Faust, und selbst mit Napalm und Agent Orange war es den USA nicht gelungen, den Feind in die Knie zu zwingen.

4. Mai 1970. Vier Tage zuvor hatte Richard Nixon an seine Nation appelliert. Mit einer live im Fernsehen und Radio übertragenen Ansprache wandte er sich an „seine amerikanischen Landsleute“. Mit seiner tiefen, sonoren Stimme suchte er nach Worten. Seine Landsleute lauschten, dass der finale, entscheidende Schlag gegen das kommunistische Nord-Vietnam bevorstehe. Oberlehrerhaft, fingerte er mit einem langen Zeigestock auf der Landkarte Südostasiens herum. Der Feind verstecke sich in der Grenzregion, und eine Invasion nach Kambodscha sei nötig, um Amerikaner in Vietnam zu schützen und den weiteren Erfolg des Vietnamisierungsprogramms zu garantieren.

Dieser militärische Schritt ging zu weit, denn längst kochten die Emotionen in der Bevölkerung. Weltweiter Widerstand gegen den Vietnam-Krieg hatte sich formiert. Die Kampfmoral der Soldaten lag am Boden. Mehr als die Hälfte der Soldaten war drogenabhängig, Marschbefehle wurden verweigert. Zehntausende Amerikaner und eine Million Vietnamesen waren bereits getötet worden.

Die Fernsehansprache des Präsidenten ging wie eine Bombe hoch. Ein Einmarsch in Kambodscha war glatter Bruch des Völkerrechts, so dass einem weiteren Land der Krieg erklärt wurde. Noch am selben Abend gingen in den ganzen USA die Menschen auf die Straße. Wortführer der Proteste waren vor allem Studenten und Universitäten, so auch an der Universität von Kent im Bundesstaat Ohio, etwa 80 Kilometer südlich von Cleveland. Am 1. Mai versammelten sich 500 Studenten auf dem Campus der Universität zu einem Protestmarsch. Sie klagten Präsident Richard Nixon an und verbrannten die amerikanische Verfassung auf dem Scheiterhaufen.

Am 2. Mai ging ein von der US-Armee genutztes Gebäude auf dem Universitätsgelände in Flammen auf. Daraufhin rief der Bürgermeister von Kent die US-Armee zur Hilfe, die sich zufällig in der Nähe der Kleinstadt befand, da man Unruhen bei einem Streik in einer Nachbarstadt vermutet hatte. So kam es zu der bizarren Situation, dass sich überzeugte Kriegsgegner und die Armee gegenüberstanden. Am Tag zuvor hatte der Gouverneur des Bundesstaates Ohio die Situation angeheizt, als er während einer Pressekonferenz die protestierenden Studenten als „Braunhemden“, „kommunistische Elemente“ und als „übelste Sorte von amerikanischen Bürgern“ bezeichnete.

Vormittags am 4. Mai waren die Studenten, die auf den Universitätswiesen demonstrierten, auf 2.000 angewachsen. Die friedlichen Proteste eskalierten, als die Demonstranten Steine warfen, während die neunhundert US-Soldaten versuchten, aus ihren gepanzerten Mannschaftswagen mit Tränengas die Demonstranten zu vertreiben. Die Schlacht zwischen Kriegsgegnern und Soldaten tobte. Dabei löste sich eine Gruppe von 70 Soldaten. Sie schritt auf die Demonstranten zu, wich im Steinhagel zurück auf einen Hügel und blieb dort stehen.

Dann fielen Schüsse. 28 Soldaten schossen wahllos in die Studenten hinein. Vier Studenten wurden sofort getötet, 13 wurden verwundet. Diese Ereignisse, in der Bundesrepublik weitgehend unbekannt, gingen als „Kent State Massaker“ in die Nachkriegsgeschichte der USA ein.

Als Neil Young die Nachricht von den vier toten Studenten hörte, schrieb er spontan das Stück „Ohio“ für seine Band „Crosby, Stills, Nash & Young“.

“Tin soldiers and Nixon coming,
We're finally on our own.
This summer I hear the drumming,
Four dead in Ohio.

Gotta get down to it
Soldiers are cutting us down
Should have been done long ago.
What if you knew her …”

Damit drückte er Bestürzung, Fassungslosigkeit und Solidarität aus. Obschon Radiosender angehalten waren, das Stück nicht zu spielen, weiteten sich die Proteste rasch aus. Bereits eine Woche später demonstrierten in Washington Hunderttausende. Gemeinsam mit den Protestbewegungen der Bürgerbewegung und der Schwarzamerikaner stellten die Ereignisse eine harte Bewährungsprobe für den US-amerikanischen Staat dar.

Die Versuche aufzuklären, warum es zu den Schüssen kam, zogen sich über mehrere Jahre hin. Die Soldaten der US-Armee schworen, sie hätten sich selbst verteidigen müssen. Sie glaubten einen Scharfschützen aus dem Hinterhalt gesehen zu haben, doch dafür gab es keine Beweise. Eine vom Präsidenten eingesetzte Untersuchungskommission kam zu dem Ergebnis, dass die Schüsse "unnötig, ungerechtfertigt und unentschuldbar" waren.

Ein Staatsanwalt lehnte es aus Mangel an Beweisen 1974 ab, Anklage gegen acht Soldaten zu erheben, die vermutlich geschossen hatten. Derweil wurde der Vietnam-Krieg 1973 beendet, als die Amerikaner in Paris ein Abkommen zum Abzug ihrer Truppen unterzeichneten. Das „Kent State Massaker“ hat wahrscheinlich seinen Teil zum Kriegsende beigetragen. 


4 Kommentare:

  1. Toll, dass du daran erinnerst! Da war ich 18, mitten im Abitur & sehr aufgebracht....
    LG
    Astrid

    AntwortenLöschen
  2. Dit is onbekend voor mij. Ik heb er wel eens over gelezen. Bijzonder om de geschiedenis erom heen te lezen en te weten.

    AntwortenLöschen
  3. Dieter,
    gut, dass du das Thema aufgegriffen hast. Es war
    längst in Vergessenheit geraten.
    Einen schönen Abend wünscht dir
    Irmi

    AntwortenLöschen
  4. Lieber Dieter,
    ich war damals 8 Jahre alt und erinnere mich noch, wie sehr die Ereignisse in Vietnam und den USA meinen um 14 Jahre älteren Bruder aufgebracht haben.
    Herzlichst die Traude - leider derzeit etwas "handlahm"...

    AntwortenLöschen