Dienstag, 24. Januar 2012

Pinnwand


Eigentlich wollte ich mir, so wie ich im Wochenrückblick geschrieben hatte, eine Art Ruhetag gönnen, an dem ich aus der Literatur, aus Zeitungen, aus Blogs aufarbeiten wollte, was und wie andere schreiben. Beim Nachdenken habe ich festgestellt, dass zu vieles in meinem Kopf herum schwirrt, so dass ich einen Teil ausspeichern und niederschreiben wollte und nicht auf meinen heutigen Blog verzichten wollte. Ich habe aber eine kürzere Form gewählt, damit ich mich zusätzlich mit Literatur, Zeitungen und Blogs befassen kann. Den Blog-Titel habe ich „Pinnwand“ genannt, wobei ich die Inhalte in Stichworten nieder geschrieben habe. Heute geht es um Arthur Schopenhauer, einen deutschen Philosophen, der von 1788-1860 gelebt hat. Ich habe grob geplant, die Pinnwand stichpunktartig zu anderen Themen fortzuführen – das können Autoren, Begriffe, Dinge des Alltags, Städte, Landschaften usw. sein. Mal sehen, was mir in den nächsten Wochen einfällt ….

Zitate aus Arthur Schopenhauer, Aphorismen zur Lebensweisheit:

„Der Mensch braucht freie Muße, um seine geistigen Fähigkeiten zu entwickeln und seinen inneren Reichtum genießen zu können, also die Erlaubnis, jeden Tag und jede Stunde, ganz er selbst sein zu dürfen.“

„Die menschlichen Bedürfnisse können in drei Klassen eingeteilt werden:
  1. natürliche und notwendige Bedürfnisse (z.B. Nahrung und Kleidung); diese sind leicht zu befriedigen
  2. natürliche, aber nicht notwendige Bedürfnisse (vor allem Geschlechtsbefriedigung); diese sind etwas schwerer zu befriedigen
  3. weder natürliche noch notwendige Bedürfnisse (Luxus, Üppigkeit); diese sind endlos und schwer zu befriedigen.“

„Der Reichtum gleicht dem Seewasser: je mehr man davon trinkt, desto durstiger wird man.“

„Vorhandenes Vermögen soll man betrachten als eine Schutzmauer gegen die vielen möglichen Übel und Unfälle; nicht als Erlaubnis oder gar Verpflichtung, alles Vergnügen in  der Welt heranzuschaffen.“

„Bei Handwerkern gehen die Fähigkeiten zu ihren Leistungen nicht verloren und ihre Fabrikate sind Gegenstand der menschlichen Bedürfnisse, deshalb gilt das Sprichwort: ‚Handwerk hat goldenen Boden’.“

Dienstag, 17. Januar 2012

Rauhreif am Sonntag

Der Motor surrte. Leicht und doch schwerfällig, spulten sich die Rolläden hoch.

Dann der spannende Blick durchs Wohnzimmerfenster: konnte ich in diesem Jahr eine erste Runde mit meinem Rennrad drehen ? Ich hatte es mir vorgenommen, doch die Realität war anders, denn nach Wochen, in denen man die Winterpullover geruhsam im Kleiderschrank lassen konnte, hatte nun der Winter Einzug gehalten. Eine satte Schicht von Rauhreif hatte unseren Vorgarten durchdrungen. Eiskristalle glitzerten auf Grasbüscheln, die auf dem Erdboden zunehmend gewuchert hatten. Die zaghaften Knospen unserer Kletterrose waren wie mit Puderzucker überzogen.

Zuerst Frühstücken, danach hoffte ich, dass mit zunehmendem Sonnenschein die Temperaturen aus dem Keller heraus kriechen würden.

Nach draußen getreten, packte mich die frostklare Luft und mir schnellte das Thermometer mit den eiskalten Temperaturen entgegen: es waren klirrende minus 3 Grad. Dabei gab es auch nichts weg zu diskutieren, denn die Dächer am gegenüberliegenden Mietsgebäude waren weiß gefroren. So dick wie ein Panzer, war unser Auto war von einer Eisschicht überzogen. Und die Blüten unseres Zier-Apfelbaums, die in üppigem Rosa schon die Zeichen des Frühlings gesetzt hatten, wirkten skurril und wirklichkeitsfremd, denn der Winter hatte wieder zurückgeschlagen.

Eis kratzen, Auto starten, Heizung und Gebläse einschalten, beim Bäcker holte ich Brötchen. Mich aufs Fahrrad setzen und zum Bäcker fahren, das hätte ich bei dieser Kälte niemals gewagt.

Anschließend frühstücken und abwarten, denn ich hoffte, dass die aufziehende Sonne die Kälte verscheuchte. Einmal mit dem Rennrad durch die Wahner Heide, rund um den Flughafen, von dieser tollen Strecke durch dieses abwechslungsreiche Naturschutzgebiet, davon träumte ich.

„Hmmm …“
grübelte ich beim Frühstück und ich meinte die Tour mit dem Rennrad. Wir redeten über dies und das, über Freunde und die Nachbarn. Am Fernseher erzählte Fritz Fuchs etwas über Steine und Mineralien und wo man besonders schöne Edelsteine findet. Der Kaffee weckte unsere Lebensgeister, die Brötchen ließen wir uns schmecken. Später applaudierte im Fernsehen eine Kinderschar, denn Reinhold Messmer hatte über seine waghalsige Expedition zum Nordpol berichtet.

„Sieht nicht so doll aus mit der Radtour … „
stellte ich fest, obschon sich ein traumhafter Tag ankündigte. Nebelschwaden zerfaserten das Sonnenlicht, das in diesen zarten Schleier hinein schlüpfte. Dann fiel der Nebel abrupt in sich zusammen, die Reste zerfielen zwischen dem Erdboden, um dann in höheren Schichten aufs Neue hinab zu gleiten. Ein herrliches Schauspiel !

Unser Rasen war schneeweiß, aber nicht voller Neuschnee, sondern der Rauhreif formte eine gleichmäßige Fläche wie einen Teppich. Das Wasser in unseren Regentonnen zeichnete Eisgebilde, so schön wie ein Gemälde.

„Rennrad, das lasse ich besser sein … „ kommentierte ich kurz und knapp die Wettersituation.
„Wenn ich losfahre, bin ich schnell ein Eisklotz. Lass uns den Sonntag genießen ....“

Wir lümmelten uns weiter am Frühstücktisch herum, ließen unsere Beine baumeln und ließen es uns gut gehen.

Montag, 9. Januar 2012

bei Mc Donalds

„Zwei Menüs, davon einmal Chicken Nuggets und einmal Mc Rib, eine Überraschungstüte, ein Filet-O-Fish, zu trinken zwei Cola und eine Capri-Sonne“.
Bei der freundlichen jungen Dame mit dem mädchenhaften Gesicht und dem roten T-Shirt hinter der Theke waren wir soeben unsere Bestellung losgeworden. Sie zapfte die Getränke, platzierte die Überraschungstüte für unser kleines Mädchen auf ein Tablett und stopfte eine Figur in einer durchsichtigen Kunststoffverpackung hinein. Pommes Frites und Burger rundeten unsere Bestellung ab.

„Guten Appetit“ wünschte die freundliche Dame und sie lächelte uns sogar an.

Die Menüs luden wir auf unseren Eckplätzen ab. Durch die Fensterscheiben schauten wir auf die Taktung des Verkehrs, der durch die Grün- und Rotphasen der Verkehrsampel und durch daherbrausende und abstoppende Autos bestimmt war. Die fortgeschrittene Uhrzeit und die Alternative, zu Hause noch Kartoffeln schälen zu müssen und Möhrengemüse zubereiten zu müssen, hatten uns nach Mc Donalds getrieben. Mc Donalds, das hatte ich früher konsequent gemieden, doch mit den Fast-Food-Tendenzen unserer Kinder konnten wir uns Mc Donalds nicht vollständig entziehen.

„Mit 20 € sind wir ausgekommen“ stellten wir zufrieden fest, genau genommen waren es 19,06 €. Dieser Vorteil ließ sich nicht verleugnen. Wir nahmen unsere Menüs, Chicken Nuggets, Mc Rib, Filet-O-Fish. Unser kleines Mädchen griff in die Überraschungstüte hinein, krallte sich die Figur, knisterte an der Verpackung herum und begann zu reißen.

„Wo sind die Nuggets ?“ stellten wir entsetzt fest. Tatsächlich, sie waren in der Überraschungstüte vergessen worden.

 „Dann geh ich zur Kasse“.
Den Anblick eines saftigen Mc Rib’s vor den Augen, war ich genervt und ich schlurfte mit der Energie eines Schlafwandlers zur Kasse. Kein Problem, die freundliche junge Dame entschuldigte sich, mit deutlich mehr Elan kehrte ich zum unserem Eckplatz zurück.

Die Kinderüberraschung war nun aus ihrer Verpackung befreit worden. Die Plastikfigur grinste unser kleines Mädchen mit ihrem roten, quadratischen Körper an. Sie hüpfte über den Tisch und unser kleines Mädchen spielte damit herum.

Weit quollen die schwarzen, blauumrandeten Pupillen aus dem Kopf der Plastikfigur heraus, eingerahmt von dem Logo von Mc Donalds. „Das kann man voll Wasser saugen und dann herumspritzen“ hatte meine Frau gelesen. Da musste man schon genau hinsehen, denn auf den grauen Flaschen unter den Armen waren Löcher hineingepieckst, so winzig, dass man eine Lupe brauchte, um sie erkennen zu können. Ganz entfernt erinnerte die Figur mit dem quadratischen Körper an Bernd das Brot, doch es fehlte die Originalität, der Witz, die Unverwechselbarkeit, das war billig, phantasielos und irgendwo in Fernost produziert.

Wir aßen und ließen uns von dem Flachbildschirm an der gegenüberliegenden Wand mit Musik berieseln. Zwischen den Musikstücken wurde ein junger Sänger interviewt, den ich nicht zugeordnet bekam, weil ich nicht mehr auf dem laufenden war, was so in VIVA oder in den Hitparaden läuft.

Als wir fertig waren, packten wir unsere Einkaufstüten vom Kaufhof zusammen und nahmen die Kinderüberraschung mit. 

Schnell würde diese Plastikfigur wohl bei all dem Plunder landen, der unser Kinderzimmer verstopfte. Bei der nächsten Aufräumaktion würden wir wieder über all diesen unnützen Kleinkram herumfluchen, der sich mit der Zeit angesammelt hatte.

Montag, 2. Januar 2012

Nachlese 2011; gelesene Bücher - Teil 1

Das Buch „Wellenschlag“ von Georges Simenon war eines meiner Weihnachtsgeschenke, denn ich habe mit viel Begeisterung mittlerweile 10 Simenons verschlungen. Dabei interessieren mich mehr die Non-Maigret-Romane, für die Simenon etwas weniger bekannt ist.

In einer einfachen, unkomplizierten Sprache beschreibt Simenon mit reichlich psychologischem Tiefsinn die Alltagswelt der kleinen Leute. So auch hier: „Wellenschlag“  ist mit seinen 163 Seiten als Bettlektüre an einigen Abenden flüssig zu lesen – oder wie bei mir während der Busfahrt.

Die Geschichte ist eine unglaubliche Tragödie. Jean ist Waisenkind und lebt bei seinen beiden Tanten auf dem Gut Wellenschlag in Marsilly in der Nähe von La Rochelle an der französischen Atlantikküste. Jean hat Marthe, seine Freundin, geschwängert. Eigenmächtig veranlassen seine beiden Tanten, dass Marthe abtreibt, ohne dass Jean bzw. ihr Vater davon etwas wissen. Nach der Abtreibung kommt es zu Komplikationen, und eigentlich könnte nur eine Totaloperation helfen, die 10.000 Francs kostet und für die das Geld fehlt. Marthes Blutungen werden immer schlimmer, so dass sie schließlich stirbt. Zuvor hatte Jean Marthe geheiratet.

Der Roman spielt 1938 in einer Steinzeit der Telekommunikation, ohne größeres Telefonnetz, ohne Mobilkfunkkommunikation, ohne Internet oder e-Mail-Verkehr.

Was Marthes Tod betrifft, hätten auch aus heutiger Sicht Krankenkassen in einem solchen Fall die Kosten für eine Totaloperation nicht übernommen.

In dieser Steinzeit der Telekommunikation werden Informationen weitestgehend im Café de la Poste in Marsilly ausgetauscht. Dort finden sich Charaktertypen mit allen Haken und Ösen: Jeans Schwiegervater Sarlat, der Schulden hat; Justin, der wegen diverser Liebschaften als Bürgermeister nicht wiedergewählt worden ist; der Elsässer Kraut, der sich als Gelegenheitsarbeiter durchschlägt und außer Essen und Trinken keinerlei anderen Aktivitäten nachgeht; Jourin, der nach Belieben fremdgeht und dennoch verheiratet ist. Dazu kommen Metzger, Maurer, Hufschmied, Lehrer, also alles, was sich so im Dorf herumtreibt. Dementsprechend stark wird das Café frequentiert, wobei jede Menge gesoffen wird, Karten gespielt wird und endlos über Politik herum palavert wird.

Das ist eine Welt, in die Jean nicht hineinfindet, weil er mit solchen derben Charaktertypen nicht umgehen kann. Anstatt dessen ist er in seinem Alltag gefangen, der auf Gut Wellenschlag stattfindet. Jeden Tag erntet er von morgens früh bis abends spät Austern, indem er bei einem niedrigen Gezeitenstand während der Ebbe die Austern mit Netzen aus dem Meer fischt. Umspült von Wassermassen, werden Karren durch Matsch und Schlick gezogen, was eine fürchterliche Knochenarbeit ist.

Seine beiden Tanten haben ein Netz um ihn gesponnen, dem er letztlich nicht entweichen kann. Ihr Immobilienbesitz ist groß, denn außer dem Gut Wellenschlag, welche 30 ha groß ist, besitzen sie noch zwei Mietshäuser. Sämtliche Gebäudeinfrastruktur und den Fuhrpark stellen sie zur Verfügung. Marthe lebt bei den beiden Tanten, die täglich die beiden bekochen und sich um Marthes schlechter werdende Gesundheit kümmern.

Sein Schwiegervater Sarlat öffnet ihm im Café de la Poste die Augen, indem er die beiden Tanten als „Drachen“ bezeichnet. Doch Jean kann damit nicht umgehen, er will Sarlat verprügeln und wird prompt aus dem Café geschmissen. Anstatt dessen arrangiert er sich mit seinen Tanten und lässt sie weiter gewähren.

Als seine Frau stirbt, trauert Jean nur für eine kurze Zeit. Er lebt bei seinen Tanten in seiner engstirnigen Welt weiter und fühlt sich fortan nicht als Witwer, sondern wird als Junggeselle alt.