Samstag, 17. August 2013

Revolution ? Die Linke.


Gähnende Langeweile.  Mich ödet an, wie die Ideenlosigkeit des Bundestagswahlkampfes an Laternen und Zäunen, in Wiesen und Feldern, vor Hausfassaden und Ausfallstraßen klebt. „Gemeinsam für Deutschland“, „solide Finanzen“ oder „Gerechtigkeit statt Umverteilung“, untermalt mit glatt gestriegelten Gesichtern von Politikern, das klingt nichtssagender als jede Werbebotschaft.

Dann der Aufreger: die Linke will die Revolution. Endlich eine andere Gangart. Entsprechend der lateinischen Bedeutung „Umsturz“, trifft die Linke mit ihrer Botschaft ins Schwarze. So blass wie mir die anderen Parteien vorkommen, kann ich mich dieser Botschaft nicht entziehen. Ja, flächendeckender Mindestlohn, Altersarmut, die Spaltung der Gesellschaft in Reich und Arm, Energiewende, bezahlbare Mieten, das sind allesamt Themen, die mich brennend interessieren und wo ich dringenden Handlungsbedarf sehe.

Gerne packe ich weitere Themen dazu, dass wir Mobilität und Verkehr nicht in den Griff bekommen, dass ganze Urwälder abgeholzt werden müssen, damit wir mit Bio-Sprit fahren können, dass die Niederlande vielleicht irgendwann absaufen, weil wir die Erderwärmung nicht stoppen können, dass ein Lebensmittelskandal den nächsten jagt,  dass Atommüll in Nachbarländern um uns herum unterirdisch in vielleicht sicheren Behältern fleißig vor sich herstrahlt, dass wir es trotz steigender Nahrungsmittelproduktion nicht schaffen, die Erdbevölkerung zu ernähren, dass wir mit unserem Einkaufsverhalten bei Bekleidung dazu beitragen, dass es Tote in Textilfabriken in Bangla-Desh gibt.

Die Linken haben genau die richtige Wortwahl getroffen. Einfach mal so weitermachen wie bisher, das geht nicht. In Bewußtsein der Menschen muss sich vieles ändern. Politiker denken nur kurzfristig, üblicherweise in Legislaturperioden bis zur nächsten Wahl. Außerdem mahlen die Mühlen der Politik viel zu langsam. Um diese Problemfelder abzuarbeiten, brauchen wir Quantensprünge. Und die sehe ich nicht.

Ich wünsche mir sogar ein bißchen 1789, als die französische Revolution die Machtverhältnisse von unten nach oben umgedreht hatte. Das Volk stürmte die Bastille, Menschenwürde und Menschenrechte fanden Eingang in die Verfassung, der König dankte ab. In unserem Staat werden diese Machtverhältnisse wieder zurückgedreht, wenn Lobbyisten bestimmen, welche Gesetze der Staat beschließt, wenn Menschenwürde und angemessener Lohn nicht mehr zusammenpassen oder wenn die Spaltung in Arm und Reich eine Ständestruktur wie im damaligen Frankreich schaffen. Ich könnte diese Rückschritte auch mit Karl Marx hinterlegen: der Mensch wird zur Ware, dessen Ertrag vom Verkauf seiner Arbeitsleistung abhängig ist; Unternehmer sind die herrschende Klasse, die in die Interessen der Gesellschaft hineinwirken; die Arbeitsleistung des Arbeiters dient dazu, um die Profitrate des Unternehmers zu erzielen. Die ökonomischen Rahmenbedingungen lassen solchen Rückschritten freien Lauf.

Obschon mir linke Ideologien schon immer sympathisch waren, werde ich die Linken nicht wählen. Präsent ist mir die linke Ideologie seit der 68er-Bewegung. Damals waren die Weltbilder einfach gestrickt: jenseits des eisernen Vorhangs lag der Kommunismus, das war das Reich des Bösen, diesseits lag der Kapitalismus, das war das Reich des Guten. Oder ja nach Standort genau umgekehrt. Links bedeutete auch Kritik am Kapitalismus. Linke glaubten nicht mehr an diese Wachstumsideologien, dass durch ein schier endloses Wachstums ein schier endloser Wohlstand erzielt werden konnte.

So einen Rudi Dutschke könnten wir heute gut gebrauchen. Er hatte die USA an den Pranger gestellt, die sich als weltpolitische Ordnungsmacht aufspielte und einen unsinnigen Krieg gegen Vietnam führte. Er rebellierte gegen die imperialistischen Strukturen, die die Welt durchdrangen und die Dritte Welt ausbeuteten. Er lehnte sich auf gegen autoritäre Strukturen, die Freiheit definiert er neu. Dutschke mischte die Gesellschaft auf und sorgte dafür, dass der Kapitalismus in seiner ausbeutenden Gestalt einen Gegenspieler mit Marx, Lenin und Engels fand. In der ganzen westlichen Welt waren sie tabuisiert worden, da sie mit Kommunismus gleichgesetzt wurden.

Die Linke Partei wird kapitulieren müssen, wieviel Sozialstaat bezahlbar ist. Dennoch ist der Ruf nach einer Revolution nicht allzu verkehrt, weil wir alles dem Markt überlassen. Politiker glauben an die Selbstheilkräfte des Marktes so wie die Mediziner an einen gesunden Körper, der von sich aus gegen alles immun ist und sich selbst regeneriert.

Klar, es gibt sie, die Manager, die ihr Unternehmen professionell führen. Sie sorgen dafür, dass neue Märkte erschlossen werden, dass die individuellen Stärken ihres Unternehmens ausbaut werden, dass alle die Ressourcen ihrer Mitarbeiter wertschätzen und diese angemessen bezahlen. Dort wirken sich die Selbstheilkräfte des Marktes aus, wenn sich bei klugem, vorausschauenden Handeln Unternehmen am Markt behaupten können.

Am Beispiel der Mindestlohndebatte betrachtet, macht es sich der Staat zu einfach, wenn er sich in die Rolle des Zuschauers begibt. Dann zerbröckelt unser Sozialstaat beziehungsweise das, wofür die Sozialdemokratie oder die Gewerkschaften jahrzehntelang gekämpft haben. Die Linke oder einen Rudi Dutschke oder eine Revolution könnten wir gut gebrauchen, wenn moralische Grenzen bei Scheinselbständigkeit, Leiharbeiter oder Outsourcing überschritten werden.

Der Staat läßt allzu sehr Fehlkonstruktionen oder Ausbeutungsmechanismen in unserer Marktwirtschaft zu, die fernab jeglicher Selbstheilungskräfte des Marktes liegen. Das jüngste Beispiel dazu ist die Deutsche Bahn, das zum geplanten Börsengang erfolgreiche Unternehmenszahlen sehen wollten. Dazu wurde Personal abgebaut, wodurch Kosten eingespart wurden. Die Arbeitsmenge war aber dieselbe geblieben. Dadurch entstanden Überstunden, schlechtere Qualitätsstandards, Verspätungen, Zugausfälle, verärgerte Kunden, gestreßte Mitarbeiter an allen Fronten. Unter Ausbeutung begreife ich, wenn beispielsweise Paketzusteller als Scheinselbständige für umgerechnet 3 € pro Stunde arbeiten.

Linke Ideologien halte ich durchaus für zeitgemäß, denn Sozialdemokratie, Christdemokratie, die Liberalen und selbst die Grünen unterscheiden sich in der Mitte kaum noch voneinander. Ich wage nur zu bezweifeln, dass sich eine linke Partei so begreift wie ich eine linke Ideologie begreife. Und die linke Partei wird historisch mit Kommunismus gleichgesetzt, den ich wiederum auch nicht will.