Samstag, 21. September 2013

Deutschland-TÜV oder Gedanken zur Bundestagswahl


Dem Fluch der 5% konnte ich in dieser Woche nicht entrinnen. Nach der Landtagswahl in Bayern war das Geschachere und Geschiebe um Zweitstimmen losgegangen. Die 5% steigern sich zur mystischen, geheimnisumwitterten Größe, denn die 5% können  sämtliche Parteikonstellationen auf den Kopf stellen. SPD, Grüne, die Linke, alle ziehen sich hoch, wenn eine CDU und FDP es gemeinsam nicht mehr können und durchdacht werden muss, was die übrige Parteienlandschaft gemeinsam kann. Politische Themen habe ich ursprünglich in meinem Blog aussortiert. Politik nervt mich, ist mir zu kompliziert und vor allem: ich habe keine Ahnung davon. Mit der Treffsicherheit anderer Polit-Blogs kann ich nicht mithalten. Doch die Bundestagswahl beherrscht alles, wohin man auch schaut.

Ich tue mich schwer mit der Informationsflut zur Bundestagswahl. Das Fernsehduell zwischen Merkel und Steinbrück habe ich nicht mit verfolgt. Um mich zu informieren, war die Reportage zum Deutschland-TÜV im SWR-Radio (SWR1 Leute Baden-Württemberg) richtig gut gemacht. Die Reporter Jana Lange und Andreas Hain waren quer durch die Republik gereist, um Ängste, Nöte und brennende Themen der potenziellen Wähler einzusammeln. Mit dem Deutschland-TÜV wollten die Reporter unserer Republik ein Zertifikat ausstellen, wie sie im Umfeld von Ängsten, Nöten und brennenden Themen bewertet wird.

Ich war überrascht, dass die Grundtendenz durchaus positiv war. Verglichen mit dem TÜV: ja, unsere Republik hat Mängel; diese müssen nachgebessert werden, aber unsere Republik ist fahrtüchtig; wo es drückt und klemmt, können Ausreißer gerade gerückt werden. Nicht die erforderliche Nachbesserung, sondern der positive Grundton widersprach meiner persönlichen Wahrnehmung.

Mitten im Volk, haben Lange & Hain die Stimmungen eingefangen. 1. In Stralsund haben sie mit streikenden Bäckerei-Angestellten geredet, die teilweise für 4,50 € Stundenlohn arbeiten  2. Ähnlich war der Fall bei einem Friseur aus Gera mit einem Stundenlohn von 6,50 € gelagert; er hatte kein Geld, eine Heirat mit Freundin und Kind zu bezahlen  3. In Hoyerswerda war die Einwohnerzahl wegen hoher Arbeitslosigkeit in 15 Jahren von 70.000 auf 45.000 geschrumpft; Plattenbauten wurden abgerissen; in der Innenstadt sah man nur noch Rentner und alte Menschen  4.  In einer 200 Seelen-Gemeinde im Hunsrück hatte eine Ärztin, die Anfang 40 war, gegen den Trend eine Hausarztpraxis übernommen; sie schätzte den engen Kontakt auf dem Dorf sowie das zur Verfügung stehende Zeitkontingent, auf die Belange der Patienten individuell eingehen zu können  5. Bei einer Wohnungsbesichtigung in der Münchener Innenstadt mussten sich die Interessenten in eine Warteschlange von über 50 Menschen einreihen; die Kommunikation mit dem Makler verlief einsilbig; der Makler hatte einen einfachen Job, denn er konnte bei einer miserablen Wohnqualität eine ordentliche Provision abkassieren   6. Bildung wird zum exquisiten Gut weil sich nur noch besser verdienende Bildung leisten können; so begann ein Abiturient aus Cuxhaven eine Ausbildung, weil er aus einer kinderreichen Familie stammte (5 Kinder), da er sich kein Studium leisten konnte   7. Vor lauter Lebensmittelskandalen wissen die Menschen nicht mehr, was sie essen sollen; in Möhringen vor den Toren von Stuttgart gibt es ein gemeinsames Projekt von Bürgern und Bauern; die Einwohner von Möhringen helfen bei der Feldarbeit mit, im Gegenzug garantieren die Bauern einen vollständig ökologischen Anbau …

Mich hatte überrascht, dass selbst in den problematischen Orten/Städten/Gegenden den beiden Reportern die Situation positiv beschrieben wurde. Die Menschen arrangierten sich, sie machten das beste aus ihrer Situation, sie schauten optimistisch nach vorne. Während der Ära von Gerhard Schröder war dies genau umgekehrt: die Deutschen waren als ein Volk von Miesepetern und Unzufriedenen beschrieben worden. Man jammerte auf hohem Niveau. Insbesondere die Geringverdiener aus Stralsund und Gera akzeptierten ihre Situation, weil sie lieber für einen Niedriglohn arbeiteten als auf der Straße zu sitzen. Sie warfen zwar die Frage auf, was Arbeit Wert ist, sie gaben aber den Politikern recht, dass Niedriglöhne das kleinere Übel sind gegenüber Arbeitslosigkeit.

Diese Radiosendung mischte den ansonsten faden Bundestagswahlkampf auf. Ich kann die ganzen Wahlplakate nicht mehr sehen, obschon die Demokratie, wofür wir in Europa über Jahrhunderte gekämpft haben, an für sich ein Fortschritt ist. Wahlplakate und Politiker: in ihren Posen bewegen sie sich hinab auf das Niveau der Werbung. Der Informationsgehalt ist gleich Null, alles aufgehübscht, die Sprüche sind wirklichkeitsfremd. Und so höre ich auch die Politiker über die 4-jährige Legislaturperiode reden. Vor lauter Luftblasen tue ich mich schwer, die eigentlichen Inhalte zu identifizieren. Und verstehen muss ich diese Inhalte noch, um dies bei der nächsten Wahl beurteilen zu können. Printmedien, Fernsehen oder Radio geben sich zwar reichlich Mühe, diese Inhalte verständlich darzustellen. Aber allzu oft frage ich mich: muss ich das alles wissen ? Wenn wir in unserer Informationsgesellschaft ohnehin überschwemmt werden mit Informationen, die wir überhaupt nicht brauchen.

Ist unsere Republik fahrtüchtig ? Gewiss läuft vieles rund in unserer Republik, denn so schlecht – vor allem wenn man rückwärts in vergangene Jahrhunderte schaut – geht es uns nicht. Wir brauchen nicht zu verhungern, wir durchleben mittlerweile eine fast 70-jährige Phase des Friedens. Dennoch beleuchte ich gerne als kritischer Geist diejenigen Problemfelder, an denen gearbeitet werden muss. Mein Interesse steigt um ein vielfaches, wenn Probleme global zu betrachten sind – während unsere Regierung in ihrem nationalen Denken gefangen ist. Oder wenn der Staat sich in der Rolle des Zuschauers zurückzieht und auf die Segnungen unserer Marktwirtschaft vertraut – die nicht nur manche Beschäftigte, sondern auch die Umwelt und die Dritte Welt ausbeutet. Diese Sichtweise kam  in der SWR1-Reportage zu kurz. Umgekehrt will ich aber nicht so weit gehen, wie manche Intellektuelle es tun: sie halten die Politik für so ineffizient, dass sie direkt oder indirekt zum Nichtwählen aufrufen. So äußerte sich der Philosoph Richard David Precht in einer Fernsehshow, es sei ihm persönlich nicht wichtig, ob er wähle oder nicht.

Morgen ist es soweit. Die Schar der Nichtwähler werde ich nicht vergrößern. Aus alter Gewohnheit werde ich mein Kreuzchen bei derjenigen Partei machen, wo ich es sonst immer gemacht habe. Die Überzeugung fällt mir mittlerweile schwer, denn die Unterschiede zwischen den Parteien verschwimmen. Morgen werden wir wissen, wen der Fluch der 5% trifft.

Sonntag, 15. September 2013

Cafés, Bistrots und Malerei

Einen Post über Cafés und Bistrots schiebe ich längere Zeit vor mir her. Etliche Puzzlestücke fehlen. Auf die Schnelle nach Paris fahren, um Bistrots zu fotografieren, ist nicht drin. Gerne trinke ich in heimischen Cafés meinen Kaffee, ich lese, ich beobachte Menschen, lasse mich von der regen Atmosphäre inspirieren.

Eine Kurzversion habe ich jedenfalls zusammenbekommen vom Pariser Montmartre, Malerei und der Café-Atmosphäre zu Hause.
Quelle: Wikipedia
Auf dem Montmartre in Paris steht ein Schild, dass dort 1814 das erste Bistro entstanden ist. Russische Kosaken hatten Paris besetzt. Die Russen drangen in ein Café ein und orderten schnell ihre Getränkebestellung. Mehrfach wiederholten sie das Wort "schnell". „Schnell“ heißt auf Russisch „Bistro“ (oder so ähnlich in kyrillischer Schrift).



2007 war ich das erste Mal in Paris. Auf dem Montmartre, nicht unweit von der "Keimzelle" aller Bistrots, habe ich die Maler bewundert.





Französische Impressionisten habe ich nun in einem heimischen Café gesichtet. Zwei dieser Gemälde stammen im Original von Renoir. Ich besuche unterschiedliche Cafés. Manchmal packe ich auch meinen Laptop aus und schreibe meine Blogs.


Die Gemälde spiegeln sich in Spiegeln mit schwerem Bronzerahmen.

Gerne hätte ich Fotos von Pariser Bistrots gezeigt. Ich kann aber nicht auf die Schnelle nach Paris fahren, um Bistrots zu fotografieren.



Ersatzweise zeige ich Euch Fotos von Cafés in Lüttich, die mindestens genauso sehenswert sind wie diejenigen in Paris.