Dienstag, 26. Februar 2013

die Toilettenfrau


Ihr Arbeitsbereich erstreckte sich übersichtlich auf wenigen Quadratmetern. Praktisch und bequem, könnte man meinen, passte der weiße Bistrot-Tisch neben dem Waschbecken. Eine Blumenvase mit Narzissen hob das Ambiente des stillen Örtchens. Sie sorgte dafür, dass alles blitzblank und sauber war und schön duftete. Putzmittel, WC-Reiniger und Klobürste griffbereit, stand ihr Arbeitsplatz im Zentrum menschlicher Bedürfnisse. Und ab und an klangen die Münzen auf dem flachen Porzellanteller.

Ein Arbeitsplatz als Toilettenfrau ? Es hatte sie Überwindung gekostet. Und es kostete sie Tag für Tag Überwindung. Wäre sie doch nicht so faul gewesen ! Hätte sie doch die Hauptschule nicht geschmissen ! Nun, mit Mitte zwanzig, nachdem sie nichts auf die Reihe gekriegt hatte, sah sie keinen anderen Weg als zurück, zurück, zurück. Wo andere in ihrem Alter längst eine Lehre abgeschlossen hatten und im Beruf standen, führte ihr Weg zum Arbeitsmarkt nur zurück, zurück, zurück.

Ganz unten angekommen. Die Perspektivlosigkeit war ihr zu den Ohren heraus gekommen. Ein paar Euros selbst verdientes Geld in den Händen halten. Das Außenseiterdasein aufgeben und Teil der Gesellschaft werden. Nein, den ganzen Tag herum lungern und anderen auf der Tasche liegen, das wollte sie definitiv nicht.

Bewerbungen, Praktikum, Schule, Ausbildungsplatz, wenn etwas klappte, dann nur zeitweilig. Über ihren eigenen Schatten musste sie springen, als sie das Arbeitsangebot auf der öffentlichen Toilette der Stadt angenommen hatte. 7 € die Stunde, das war nicht so viel weniger wie als Reinigungskraft oder wie im Supermarkt Regale einräumen. Als ungelernte Kraft war die Auswahl der Arbeitsangebote ohnehin begrenzt. Putzen oder Toilette sauber machen, davor hatte sie sich nie geekelt. Der Job als Toilettenfrau hatte sie Überwindung gekostet. Das war hart an der Grenze zur Selbstverleugnung. Für solch einen Arbeitsplatz musste sie ihr Gehirn ausschalten. Anfangs schämte sie sich, dort sitzen zu müssen. Am liebsten hätte sie sich versteckt. Wenn Kunden kamen, schaute sie weg, irgendwo auf den Boden oder auf das sterile Weiß der Toilettentüre.

Wochenlang musste sie sich einreden, dass ihr Arbeit einen Wert macht. Sie nahm sich ein Beispiel daran, wie sie es im Haushalt ihrer Eltern gelernt hatte. Es war unstrittig, dass saubere sanitäre Anlagen einen Wert verkörperten. Sie ekelte sich vor dreckigen Toiletten, also sollte dies ihren Mitmenschen erspart bleiben.

Irgendwann kam der Punkt, da hatte sie sich mit diesem Job arrangiert. Auf dem stillen Örtchen war sie ihr eigener Chef. Mit Klobürste, Duftspray, Wischmob und Reinigungsmittel sorgte sie dafür, dass alles so schön fein sauber war, wie sie es zu Hause kannte. Mit ihren wachen blauen Augen begrüßte sie ihre Kunden. Manche kehrten wieder, und mit manchen hielt sie ein kleines Schwätzchen. Auf der einzigen öffentlichen Toilette im Zentrum der Stadt, war sozusagen ständig etwas los. Langweilig wurde es nie.

Ganz unten angekommen ? Sie schritt ein und wischte alles schön sauber, wenn bisweilen alkoholisierte Kunden neben das Urinalbecken zielten und stinkende Urinreste hinterließen. Hauptsache, die Kunden blieben friedlich. Bei Stadtfesten knubbelten sich die Menschen auf ihrem Arbeitsplatz. Das war in Ordnung, wenn Handgreiflichkeiten oder Schlägereien ausblieben.

Ganz unten angekommen ? Beinahe war es ihr gelungen, sich mit dem miserablen Image als Toilettenfrau abzufinden. Mental stand sie über diesem Niveau, das die Gesellschaft in die Schublade ganz unten einordnete. Doch den Nerv raubten ihr die allzu feinen Damen.

„Da drinnen ist es nicht sauber.“

Diese allzu feinen Damen schauten in die Ecken, nichts war ihnen gut genug, die Toiletten mussten so perfekt sauber sein wie ihre Gesichtsfarbe. Entsetzen lähmte ihr Gesicht, wenn sie selbst das kleinste Schnipselchen entdeckten.

„Für so etwas müssen wir noch fünfzig Cent zahlen !?!?“

Erst betrachteten sie ihren anschmiegsamen, festen Körper bis hinunter zu den flachen Wildlederschuhen, die weder lässig noch schick wirkten, sondern irgendwo dazwischen. Dann schauten sie auf die weiße Schürze der Toilettenfrau herab. Ihrem rundlichen Gesicht mit den leichten, mädchenhaften Zügen und würdigten sie kaum einen Blick.

„Da … „
Rollte das Kleingeld auf dem Teller dahin: Sie hatten es auf eine Art und Weise dahin geschmissen, so lästig, als ob sie es am liebsten in den Mülleimer entsorgt hätten.

Das waren Situationen, da hätte sie am liebsten ihren Job hingeschmissen. Sie selbst schritt mit Achtung und Würde durch ihr eigenes Leben. Es war schrecklich, wenn Mitmenschen ihre eigene Würde mit Füßen traten.

Freitag, 15. Februar 2013

Glockentürme (9) - der Glockenturm in Regniéville (Frankreich) als Mahnmal an den ersten Weltkrieg


Schon nach einem Monat war die Begeisterung in Starre übergegangen. Am 3. August 1914 hatte auf der Wilhelmstraße in Berlin das Volk gejubelt. „Ich kenne keine Parteien mehr, ich kenne nur noch Deutsche“, in einer flammende Rede hatte der deutsche Kaiser zu der Kriegserklärung Stellung bezogen. Die Menschenmassen waren außer sich, die Stürme der Begeisterung nahmen kein Ende. Alle wollten in diesen heiligen Krieg, in dem sich alle Nationen gegen das Deutsche Reich verschworen hatten.

Quer durch Belgien, dessen Neutralität sie verletzten, marschierten die deutschen Truppen immer tiefer nach Frankreich, bis die Schlacht an der Marne das schwindelerregende Tempo des Durchmarschs stoppte. Das war einen Monat später. Danach erstarrte der erste Weltkrieg in einem Stellungskrieg, in dem Geländegewinne nur in Metern verbucht werden konnten. Irrsinnige Materialschlachten entstanden, in denen die Feinde sich gegenseitig mit Mörsern, Granaten, Bomben, chemischen Kampfstoffen und mit der ganzen Tötungsmaschinerie bekämpften.

Neben den Kriegsschauplätzen im Norden – Ieper, Vimy oder des chemin des dames – war es vor allem Verdun, das als Symbol des Wahnsinns Eingang in die Geschichte gefunden hat. Der Ring von Festungssystemen, unterirdisch angelegt, mit Munitionsdepots, Lazaretten und selbst Bäckereien, setzte sich südlich von Verdun quer durch Lothringen fort.

Dort tobten die Kämpfe in derselben Erbarmungslosigkeit wie im Rest von Nordfrankreich. Im Gegensatz zu Verdun eroberten die deutschen Truppen bereits im September 1914 die Festung Saint-Mihiel – etwa 30 Kilometer westlich von Metz. Südlich von Saint-Mihiel erstreckten sich ausgedehnte Wälder, in denen der Stellungskrieg tobte, ähnliche Materialschlachten wie in Verdun geschlagen wurden und die Feinde sich gegenseitig neutralisierten.

Dörfer und Städte, die in diese Frontlinie hinein gerieten, sahen ähnlich zerstört aus wie manche Städte im Rheinland nach dem zweiten Weltkrieg – wo beispielsweise Düren zu 100% zerstört wurde. Diese totale Zerstörung ereilte im ersten Weltkrieg auch den Frontabschnitt in den Wäldern vor Saint-Mihiel. Darunter war auch das Dorf Regniéville.

Alleine der Stumpf der barocken Kirche ragte aus der Trümmerwüste heraus. Anderenorts entlang der Frontlinie wurden Glockentürme militärisch zweckentfremdet: mit ihrer Höhe ragten sie aus der Hügellandschaft hinter der Mosel heraus, und man nutzte sie als Beobachtungsposten. Man entfernte die Glocken; Dachziegel nahm man heraus, um die Lücken als Schießscharten zu verwenden; Maschinengewehre positionierte man auf der Plattform des Glockenturmes.

Nachdem Regniéville zwischen die Fronten geraten war, flohen die Bewohner in sichere Teile Lothringens – das war tiefer nach Westen oder Süden in das Mittelgebirge der Argonnen hinein. In einem Tagebuch berichtet ein französischer Soldat, wie im März 1915 die Gegend um Regniéville als militärisches Aufmarschgebiet diente. Zwischen zerstörten Dörfern und Städten klammerte sich der übrig gebliebene Stumpf des Glockenturms an seine Existenz und beobachtete das geschäftige Treiben, das an einen Ameisenhaufen erinnerte. Fahrzeugschlangen mit Waffen, Munition und Kanonen holperten über unwegsame Straßen. Die aufeinandergestapelte Munitionskisten erreichten mitunter die Höhe von Häusern, die nun zu Ruinen geworden waren. Aus den Schützengräben trugen die Sanitäter des Roten Kreuzes das Elend von Verwundeten und Toten in Sicherheit. Kompanien von Soldaten marschierten in ihre Stellungen, in umgekehrter Richtung kehrten andere Soldaten zurück.

Den harmonischen Klang der Glocke hatte der Krieg längst ausgelöscht. Dafür hallte in der Ferne der metallische Klang des Kanonendonners. Nervös, fast im Flüsterton, entluden sich Gewehrschüsse in kurzer Abfolge hintereinander. In der Ferne, wuchs der Lärm eingeschlagener Granaten mit einem dumpfen Knall an.

Als im November 1918 der zweite Weltkrieg zu Ende ging, war außer den kargen Resten des Glockenturmes nichts mehr von Regniéville übrig geblieben. Ob bzw. Wie Regniéville wieder aufgebaut wurde, entschied letztlich das Erzbistum in Toul. Es gab insgesamt drei Orte in Lothringen, in denen diese Orte mitsamt der Kirche in einem solchen Umfang zerstört waren, dass sich ein Wiederaufbau der Kirche nicht lohnte. Im Jahr 1920 entschied der Erzbischof von Toul, dass diese drei Orte (außer Regniéville waren dies Remenauville, Fey-en-Haye und Flirey) als Mahnmal an den zweiten Weltkrieg nicht wieder aufgebaut wurden. Die Kirchen wurden ebenso nicht wieder aufgebaut, wobei an derselben Stelle neue Kirchen in einem zeitgemäßen Stil gebaut wurden.

So wurde in Regniéville im Jahr 1920 eine Kapelle (anstelle einer Kirche) im neoromanischen Stil neu gebaut – mitsamt einem Glockenturm.

Der Glockenturm von Regniéville gehört heute zur Gemeinde Thiaucourt. Und in Thiaoucourt wurde eine der größten deutschen Soldatenfriedhöfe in Frankreich angelegt.

Ganz herzlich möchte ich mich bei Mam Léa für die ausgezeichnete deutsch-französische Zusammenarbeit bedanken, denn sie hat es mir erlaubt, ihre Fotos von Regniéville auf meiner Blog-Seite zu veröffentlichen.



Mittwoch, 13. Februar 2013

neue Digitalkamera


Ein kurzer Schnappschuss im Rheinau-Hafen in Köln. Den Harry-Blum-Platz wollte ich fotografieren. Harry Blum war Oberbürgermeister von Köln und starb im Jahr 2000 im Alter von 55 Jahren urplötzlich an einem Herzversagen. Eine traurige Geschichte, die in meinem Themenspeicher abgelegt hatte, um einen Post darüber zu schreiben. Doch das Objektiv meiner Digitalkamera stockte beim Herausfahren. Ich probierte es noch einmal, doch das Objektiv quälte sich ab, blieb auf halbem Wege stehen. Die Fehlermeldung „Objektivstörung“ erschien auf dem Display.

Zu Hause stellte ich entsetzt fest, dass sich die Objektivstörung den falschen Zeitpunkt ausgesucht hatte. Die einjährige Garantie war am 24. Januar abgelaufen, genau acht Tage später, am 4. Februar, hatte mich die  Objektivstörung gezankt. Da hatte ich wohl Pech gehabt. Ich rechnete zusammen: meine Digitalkamera nach Nikon schicken, Kostenvoranschlag erstellen, Objektivstörung beheben; die Wahrscheinlichkeit, beim Kaufpreis von 89 € zu landen, hielt ich für relativ hoch.

Also eine neue Digitalkamera kaufen. Später, falls die neue Digitalkamera dasselbe Schicksal ereilen sollte, wollte ich die alte Digitalkamera reparieren lassen, um damit – als Reserve - weiter fotografieren zu können.

Das war traurig, dass ich so denken musste. Die Digitalkameras, die ich bislang besaß, hatten eine maximale Lebensdauer von zwei Jahren, bis die erste Reparatur fällig war. Was waren das noch für Zeiten ! Die Rollei, die ich mir 1992 gekauft hatte, als noch niemand an Digitalkameras dachte, hielt sagenhafte fünfzehn Jahre, bis die Bilder einen Rotschleier oder Violettschleier oder Grauschleier bekamen, je nachdem, wie das Licht einfiel.

Die jetzige Nikon S3100, die ich mir rund einem Jahr gekauft hatte, damit war ich eigentlich super-zufrieden. Bequem und flach lag sie in der Hand; wenn man von Dunkelheit absieht, waren die Fotos schön gestochen scharf; Akku aufladen anstelle Batterien auswechseln, fand ich genial; die Tastenfolge: Auslöser, Zoom, Bilder ansehen, Bilder löschen, Blitz ein- und ausschalten kannte ich im Schlaf; schließlich: der Preis von 89 € war unschlagbar. Die Nikon S3100 hatte mich durchaus begeistert. Obsoleszenz, der Trend zu immer kürzeren Nutzungsdauern, ich tat mich schwer, mich damit abzufinden.

Bis zum Kauf der neuen Digitalkamera wurde mir schmerzlich bewusst, wie abhängig ich beim Bloggen von der Digitalkamera geworden war. Ich denke parallel in Worten und in Bildern. Am Anfang steht die Wahrnehmung, was ich tagtäglich sehe. Da setze ich bereits die Brille durch die Digitalkamera auf, aus welchen Perspektiven ich die Dinge betrachte, wie ich in Details hinein schaue, wie ich Hintergründe gestalte, wie die Farben zusammen passen, wie das Licht einfällt, welche Rollen Menschen einnehmen usw. Alleine beim Betrachten (mit Hilfe der Digitalkamera) setzen sich bereits vielfache Gedankenketten in Gang. Bisweilen sind diese Gedankenketten so intensiv, dass ich regelrecht „unter Strom“ stehe. Es muss heraus. Es muss niedergeschrieben werden. Oder es muss als Abfolge einzelner Fotos in Form und Inhalt gebracht werden.

Zirka fünf Tage ohne Digitalkamera durch die Gegend zu rennen, war ein höchst ungewöhnliches Erlebnis. Spontan – beispielsweise als der Rosenmontagszug vorbei war – konnte ich nichts für die Ewigkeit festhalten. Ich hätte gerne einfach drauf los fotografiert. Diese Unordnung, leere Bier- und Schnapsflaschen, kostümierte Jecken an allen Straßenecken, Clowns und Pappnasen, die in allen Schaufenstern als Dekoration aufgeklebt waren, vor dem Eingang einer Disko bildete sich eine lange Warteschlange. Die Motive verloren an Wirkung, weil ich sie nicht fotografieren konnte. Mein Blick wandelte auf einem seichteren Niveau an den Dingen vorbei.

Es ging auch so, ohne Digitalkamera. Das Schreiben meiner Posts war effektiv anstrengender. Aus der Digitalkamera und aus den Eindrücken schwirren gewöhnlich jede Masse Bilder in meinem Kopf herum. Ich muss sie greifen, um daraus Worte zu formulieren. Der Strom der Bilder war nun schmaler geworden. Das Greifen der Worte dauerte länger. Als ich die Wäscherprinzessin und den U-Bahn-Bau in Köln schrieb, hatte ich keine Digitalkamera zur Hand. Das waren reine Sachtexte. Recherchieren, recherchieren, recherchieren, eine gefühlte Ewigkeit hatten sich diese Posts in die Länge gezogen, bis ich die Worte gefunden hatte. Graffiti-Kunst: gerne hätte ich diesen Post aufgepeppt mit weiteren schönen Graffitis, und der Post kam mir irgendwie halbfertig und unausgereift vor.

Es hat mich überrascht, wie sehr mein Denken durch das Schauen durch die Digitalkamera gesteuert wird. Analogien werden gebildet, Zusammenhänge konstruiert, die Dinge werden in Abläufe und Bewegungen überführt, die Grenzen zwischen Schönem und Hässlichem verschwimmen. Ich fixiere mit der Digitalkamera, ich konzentriere mich auf einen Wesenskern, ich antizipiere, wie das Gesehene auf einen fremden Betrachter wirkt. Ich formuliere eine Botschaft, die entweder beim Betrachter ankommt oder auch nicht. Die Botschaft muss nicht in seine Denkschemata passen. Davon lebt die Bloggerei. Es freut mich jedes Mal, wenn sich der Betrachter oder der Leser mit der Botschaft auseinander setzt.

Wegen der einfachen Handhabung und meiner Zufriedenheit (trotz der Störung) bin ich der Marke Nikon treu geblieben. Diesmal ist es eine Nikon S6300, die einigen Schnickschnack wie 10 fach-Zoom, Bildstabilisator oder Full HD-Videos zu bieten hat. Die 123 € Angebotspreis werden ein Loch in unsere Haushaltskasse reißen. Ich werde sie intensiv nutzen und ich freue mich bereits jetzt auf all die Fotos. Es geht auch so, ohne Digitalkamera. Aber mit Digitalkamera werde ich wieder so richtig aufblühen.

Samstag, 2. Februar 2013

Mobilfunk

Jede Sekunde ausnutzen. Nichts verpassen. Rund um die Uhr und unterwegs erreichbar sein. Im Netz sein. Nachrichten lesen, Nachrichten empfangen und Nachrichten senden. Es ist schon toll, was die Mobilfunktechnologie kann. 


Allerdings nervt mich in Bus und Bahn der Typ des Informations-Junkies.


Smartphones kann man an jeder Straßenecke kaufen - in Innenstädten fast so häufig wie Brot oder Grundnahrungsmittel.


Es gibt keinen Zweifel: sie sehen todschick aus und sie sind ein Wunderwerk der Technik.


Und die Mobilfunktechnologie schreitet weiter voran: LTE kann Datenmengen von mehreren Einhunderttausend Bytes übertragen.


Die Suche nach der Mobilfunktechnik hat mich auf die Dächer geführt. Des öfteren habe ich sie auf Bürotürmen gefunden.



Antennen und Übertragungstechnik recken sich in die Höhe. 


Auch auf Wohnhäusern sind sie zu finden.


Im Licht der Wolkenfetzen geben sie ein surreales Gebilde ab.



Auf einem Posthof habe ich sogar einen frei zugänglichen Mobilfunk-Mast gefunden.

Freitag, 1. Februar 2013

Thea Dorn und Richard Wagner - die Deutsche Seele


Der Weg ist das Ziel – dies hatte kein Deutscher gesagt, sondern Konfuzius. Das Buch von Thea Dorn und Richard Wagner lädt ein zur Suche – was man so als typisch deutsch betrachtet. Griffig, nach dem Alphabet sortiert, bei A wir Abgrund beginnend und bei Z wie Zerrissenheit endend, hangeln sie sich durch.

Was man mit Deutschen verbindet. Nicht als Nation, nicht als Entstehungsgeschichte über Fürsten, Feldherrn, Krieger, Politiker, Staatsmänner. Diese kommen auch vor, aber eher am Rande. Die Großen der Geschichte kommen vor, aber sie haben sich unterzuordnen unter die Themen, die den Begriffen gleich gesetzt sind, Themen, die aus lauter Banalitäten bestehen, aus denen sich das Deutsche zusammensetzt. Der Weg ist das Ziel – das Buch ist eine Entdeckungsreise in Begriffswelten, von denen eine spannender ist als die andere.

Thea Dorn, sie ist Anfang 40 – ich kannte sie aus dem Literatur-Club des SWR-Fernsehens. Außer Büchern hatte sie u.a. Drehbücher für Tatorte geschrieben. Richard Wagner ist 1952 in Rumänien geboren und emigrierte Ende der 80er Jahre nach Deutschland.

Bis in die 80er Jahre war ich gehemmt, Deutscher zu sein. Mein eigenes Volk hatte ich als eine Ansammlung von Verklemmtheiten, Geheimnistuereien, Abschottungen, Kommunikationsunfähigen, konventionell Denkenden und auch Eitlen und Lobhudelnden kennen gelernt. Im Beruf lernte ich die Bürokratie kennen: dort herrschten Verhaltensweisen, die eher aus der Wilhelminischen Zeit stammten – Ordnung, Disziplin, Fleiß, Sparsamkeit waren angesagt. Was die Obrigkeit sagte, wurde gemacht; untertänig befolgte man deren Regeln; die Dinge wurden nicht in Frage gestellt; das Denken überließ man lieber den Pferden; man schottete sich ab und suchte sein Glück im eigenen familiären Kreis, an den man keinen anderen heran ließ. Dies waren meine Wahrnehmungen der Deutschen Seele, und ich war überhaupt nicht stolz darauf, Deutscher zu sein.

Hätte ich Thea Dorn und Richard Wagner dreißig Jahre früher lesen können, wäre mein Verhältnis zum Deutschsein bestimmt entspannter gewesen. Puppenhäuser und Weihnachtsmärkte, Schrebergarten und Kitsch, das liest sich vollkommen unaufgeregt und auch unpolitisch. Sie denken sich in Alltagsbegriffen vorwärts, mit denen jeder weithin etwas verbindet. Und innerhalb dieser Begriffswelt bewegen sie in ein intellektuelles Niveau hinein, das nicht die Bodenhaftung verliert – und dies finde ich spannend. Da geht die Suche in der deutschen Vergangenheit los. Querbeet und Querdenken: sie brillieren in Philosophie, Literatur, Geschichte, Mystik, Musik und so weiter. Sie bringen alles mit allem in Verbindung, und – wie durch ein textliches Wunder – passt auch alles zusammen. Thea Dorn und Richard Wagner haben mich bisweilen tief gerührt: wie das Puppenhaus vor dem Dreißigjährigen Krieg entstanden ist und wie die Kinder im Dreißigjährigen Krieg damit gespielt haben. Bier, Abendbrot, Dauerwelle, Strandkorb – sie arbeiten Begriffe ab, mit denen jedermann weithin etwas verbindet. Dabei durchdringen sie in Tiefenbohrungen all die Vielfalt und Facettierungen.

Speziell die Auseinandersetzung mit der NS-Vergangenheit nimmt ein handhabbares Maß an, ja, sie kommt mir sogar locker vor. In Fernsehberichterstattungen sehe ich demgegenüber eher verkrampfte Züge: die Reduzierung der Gegenwart auf Juden und Vertriebene, häufiges Wegsehen bei der Auseinandersetzung mit der eigenen NS-Vergangenheit, eine übersensible Reaktion, wenn ausländische Nationen auf unsere NS-Vergangenheit verweisen. Thea Dorn und Richard Wagner reduzieren das schwierige Thema Hitler auf Nebenrollen, die sie anekdotenhaft erzählen und mit ihrer spitzen Feder eine klare Standortbestimmung abgeben. Bei Mitläufern wie dem Philosophen Heidegger erheben sie mahnend ihren Zeigefinger.

Erfrischend ist ihr Stil, dass sie nicht nur Goethe, Schiller, Kant, Hegel, Heine oder Heinrich von Kleist aus dem Schlaf zitieren können, sondern auch Zeitgeist und Aktuelles erzählen. So teilen sie die Begeisterung der Massen für den Fußball – die Fußball-Weltmeisterschaften 1954 und 2006 erhalten genauso ihren Stellenwert wie die Fußball-Bundesliga. Ebenso begeistern sie sich für Lena Meyer-Landruth nach dem gewonnenen Eurovision Contest. Der Autobahn widmen sie ein eigenes Kapitel samt den unterkühlt-elektronischen Musikklängen der Düsseldorfer Gruppe Kraftwerk. In den Krimisendungen der Tatorte sehen sie das Prinzip des Föderalismus. Ekel Alfred alias Heinz Schubert sehen sie als Sparringspartner des Spießbürgers. Über all diesen Fernseh-Helden steht Winnetou bei den Karl-May-Festspielen.

In diesem Wälzer von 560 Seiten werde ich noch lange herum blättern. Es ist eines derjenigen Bücher in der letzten Zeit, die mich am stärksten bewegt hat.