Lieber Leser, möchtest Du meine Schattenseiten kennen lernen, die Du nicht vermutet hättest ? So dass mein Bild als sportlicher, ambitionierter, trainierter, gesunder Mensch ins Wanken gerät ?
Zugegeben, im Grunde steckt ein kleiner Garfield in mir. Nicht, was Maß, Proportionen und Gewicht betreffen, sondern meine Bequemlichkeit und meine Nachgiebigkeit, Leckereien und Genüsse durchaus zuzulassen. Einerseits durchtrainiert, andererseits dieses Stück Garfield, der leckeres Essen in sich hinein stopft und nicht genug davon bekommen kann.
Wider meine Gesundheit verhalte ich mich. Jeder Arzt dürfte die Hände über seinen Kopf zusammenschlagen. Alle Grundsätze von Gesundheit und Maß-Halten schmeiße ich über Bord. Das ist zwar nicht jeden Tag so. Aber es gibt Tage – vor allem an Wochenenden – da steigt dieser Hunger nach Chips in mir auf. Abends lasse ich mich in meinen Fernsehsessel zurückfallen. Ich lehne mich zurück, schlage meine Beine übereinander, ich sinke in mich zusammen, die Masse meines Körpers breitet sich aus, ich bewege mich keinen Millimeter. Ich ruhe und warte die Dinge ab, die kommen werden. Zu faul bin ich um aufzustehen, geschweige denn, die Treppe hoch zu laufen oder in den Keller zu gehen.
Die wichtigen Dinge, um den Abend einzuläuten, umgeben mich. Wein, Chips und Crime Time. Dazu das Laptop auf dem Boden und ein unterhaltsames Buch auf dem Wohnzimmertisch, falls Verbrechen und Krimis wider Erwarten langweilen sollten.
Das Knistern der Chipstüte zwischen meinen Fingern erzeugt eine Vorfreude. Die Chips auf der Verpackung lachen mich an. Beste Kartoffeln, bestes Sonnenblumenöl und ein knackig-echter Geschmack werden mich verführen. Es ist gewiss: wenn ich die ersten Chips gegessen habe, werde ich nicht mehr aufhören. Der Garfield in mir wird sich daran nicht satt essen können. Maß halten: Fehlanzeige.
Die Crime Time flimmert über den Fernsehbildschirm. Der Alte. Wie in anderen Krimi-Serien, wechseln Schauspieler, Kommissare, Ermittler, Gerichtsmediziner schneller als ich mitdenken kann. Walter Kreye als „Der Alte“ ist von der Bildfläche verschwunden. Der neue „Alte“ hat ein kugelrundes Gesicht, weit geöffnete Augen, einen Dreitagebart und seine Haare sind nach hinten gekämmt. Michael Ande zieht mich in seinen Bann. Dieses Urgestein hat alle Kommissare überdauert. Sein schütteres, graues Haar dokumentiert all die Erfahrung von 35 Jahren, in der er den „Alten“ assistiert. Michael Ande verkörpert für mich noch den Urtypen von deutschen Ermittlern, die feinfühlig in das Umfeld der beteiligten Personen einsteigen, die die Psychologie der Menschen studieren und ohne große Knalleffekte auskommen. Im Fernsehen werden wir überschwemmt mit Krimis. „Der Alte“ habe ich stets als eine ruhigere Variante gesehen.
Der nächste Festakt des Abends naht: das Entkorken der Weinflasche. Auch hier mögen die Mediziner Nachsicht beim nachlässigen Umgang mit meiner Gesundheit haben. „Da flehen die Menschen die Götter an um Gesundheit und wissen nicht, dass sie die Macht darüber selbst besitzen. Durch ihre Unmäßigkeit arbeiten sie ihr entgegen und werden so selbst durch ihre Begierden zu Verrätern an ihrer Gesundheit“ so hatte einst Demokrit vor 2.500 Jahren gesagt. Als Rheinländer halte ich mich lieber an meine rheinischen Artgenossen.
„Schütt' die Sorgen in ein Gläschen Wein.
deinen Kummer tu' auch mit hinein.
Und mit Köpfchen hoch und Mut genug
leer das volle Glas in einem Zug! Das ist klug!“
deinen Kummer tu' auch mit hinein.
Und mit Köpfchen hoch und Mut genug
leer das volle Glas in einem Zug! Das ist klug!“
so hatte einst Willy Schneider gesungen.
Der Rheinländer Konrad Adenauer sah das nicht anders: „Ein gutes Glas Wein ist geeignet, den Verstand zu wecken.“
Also lasse ich mir Silvaner und Chips auf der Zunge zergehen. Das Glas mit dem kühlschrank-kalten Silvaner leere ich in langen Zügen, und Garfield wäre wahrscheinlich längst betrunken. Nebenher bekomme ich mit, wie der Kommissar Richard Voss den Fall gelöst hat.
Den Abend lasse ich mir auf der Zunge zergehen. Danach erhält der Tatort mit Ulrike Volkerts den Spannungsbogen aufrecht, dann endet die Krimi-Nacht vorläufig. Barbara Schöneberger begibt sich mit ihrem New Pop Festival in seichtere Gewässer. Ich packe mein Laptop auf den Wohnzimmertisch und surfe hinein in meine Blog-Seite.
Bis Lana del Rey bei Barbara Schöneberger auf die Bühne tritt. Live. Aber das ist schwach. Nur ein matter Abklatsch der Studioversion von „Summertime Sadness“. Lana del Rey sieht mit ihrem langen braunen Haar zwar bildhübsch aus, aber lustlos flüstert sie vor sich hin, als hätte man ihr das Singen aufgezwungen. Wahrscheinlich ist es auch schwierig, diese Stimmung von Melancholie oder „Sadness“ in das Lied hinein zutransportieren. Ich bin enttäuscht.
Irgendwann nach Mitternacht, wenn ich die Flasche Silvaner geleert habe, falle ich ins Bett. Am nächsten Morgen habe nicht einmal eine Andeutung von einem dicken Kopf. Medizinern dürften wohl die Haare zu Berge stehen.