Dienstag, 29. Mai 2012

ESC

No Go – dieser Begriff, mit dem Beate meinen Blog zum Phantasialand kommentiert hatte, traf den Kern: meiden, sich fernhalten, nicht hinsehen. Für den ESC habe ich mich nie interessiert – was angesichts meiner musikalischen Vorlieben, die ich in meinem Blog zum Ausdruck bringe, folgerichtig ist.

No Go – diesem seichten Gedudele, das in diesem europaweiten Showzirkus daher plätschert, habe ich längst eine Absage erteilt. 1974: Abba entzündete mit Waterloo vielleicht noch eine bahnbrechende Wirkung, denn Abba wurde danach weltberühmt und landete einen Hit nach dem anderen. Melodie, Rhythmus und Eingängigkeit konnte man Abba jedenfalls nicht absprechen. 1976 herrschte bei mir blankes Entsetzen, als Brotherhood of Man mit „Kisses for me“ den ESC gewann. Das war zum Weghören, ein unterirdisches Niveau an Plattheit. Mir ist es bis heute ein Rätsel, dass solche Platten überhaupt verkauft wurden. 1982 wurde dann zum Horror-Trip: die Saarländerin Nicole gewann mit  „Ein bisschen Frieden“ den ESC, und seitdem schmeiße ich sämtliche ESC-Interpreten in denselben Topf wie Helene Fischer oder Andrea Berg.

Als Lena Meyer-Landruth vor zwei Jahren den ESC gewann, bewegte sie sich nach Jahrzehnten ein Stückchen oberhalb dieses unterirdischen Niveaus. Klar, sie punktete auch mit ihrem Aussehen, und Stefan Raab hievte sie mit seiner Geldmaschine so ins internationale Geschäft hinein, dass er wohl selbst auch kräftig mit dran verdiente. „Satellite“ klang frisch, jung und nicht so abgestanden wie die übrigen Eintagsfliegen auf dem großen Parkett des ESC. Am Rande registrierte ich sogar zufrieden, dass Lena mit „Bert, oh Bert“ die Sesamstraße aufmischte. Ernie war mit Bert beim Apfelpflücken verabredet, doch Bert war verschwunden. Anstatt dessen tauchte Lena auf. „Bert, oh Bert“, diese Variation von „Satellite“ singend, suchte sie Bert, bis er aus dem Nichts auftauchte.


Grillend und bei einem Faß Kölsch den Abend mit Freunden verbringend, verschwendete ich in diesem Jahr keinen Gedanken an den ESC. Zumindest am Samstag Abend nicht. Die Tage zuvor war dies einiges schwieriger. Beim Radio-Hören konnte ich dem kaum entkommen, wobei ich eine scharfe Trennlinie zwischen WDR2 und SWR1 feststellen musste. Während Roman Lob in WDR2 ungefähr so wichtig war die Brutsaison der Schellenente auf Rügen, nahm in SWR1 die Vorfreude auf seinen Auftritt in Baku kein Ende. Ich hätte nie vermutet, dass Rheinland-Pfälzer ein solches Gemeinschaftsgefühl entwickeln konnten. Sonst hatte ich dies nur vom 1. FC Kaiserslautern in Erinnerung – nun war es Roman Lob. Neustadt an der Wied – in verschiedensten Facetten wurde seine Heimat beschrieben. Neustadt an der Wied – das war nicht einmal so weit von NRW entfernt, in einem Zeitfenster von etwa fünf Stunden hätte ich locker dorthin eine Rennradtour machen können. Roman Lob hätte mich sicherlich nicht interessiert, eher das Wiedbachtal – das wirklich sehenswert war – oder ein 10%iger Anstieg über den Westerwald nach Linz.

„I’m standing still“, der Refrain bewegte mich nicht wirklich, in SWR1 blockierte dieses Stück regelrecht die Sendezeiten. Ich musste dieses Stück über mich ergehen lassen und ich lernte, was ein Ohrwurm ist. Dieser schlappe Refrain zum Einschlafen, irgendwann summte ich ihn mit, und ich ertappte mich, dass ich ihn selbst beim Spülen oder Rasenmähen vor mir her summte. Solch ein Ohrwurmpotenzial ! Da musste doch eine gute Platzierung in Baku drin sein ?

Mit Freunden einige kühle Kölsch genießend, ersparte ich es mir, meine Gehörzellen beim ESC zu strapazieren. Auf all die herum hüpfenden und herum hampelenden Gestalten durfte ich verzichten. Ebenso auf herausgeputzte Schönheiten, auf barbiepuppenhafte Kleider und Frisuren, die eigentlich in eine Kunstausstellung hinein gehört hätten. Meine Augen bewahrten den Durchblick: sie wurden von keinerlei Lichteffekten geblendet, die sich wasserfallartig über die Bühne ergossen und mitunter von Nebelschwaden auseinander gerissen wurden.

Aus den Schlagzeilen der Bild-Zeitung erfuhr ich am nächsten Tag das Ergebnis: „I’m standing still“ hatte den achten Platz belegt. Ein achtbares Ergebnis. Den Song des Gewinners aus Schweden habe ich mir bis heute noch nicht angehört. Ihn hätte ich ohnehin schnell in die Schublade des Vergessens einsortiert.

6 Kommentare:

  1. ESC geht an mir auch immer meilenweit vorbei. In diesem Jahr kamen wir nach Hause, machten den Fernseher an (eher aus Verlegenheit) und platzten mitten in den Vortrag des deutschen Jungen (ich weiß nicht mal seinen Namen). Wir haben uns dann noch über den Rest - also die Punktvergabe - amüsiert. Tiefe Spuren hat das Ganze nicht hinterlassen. Der Sohn fragte heute nur, ob wir das Statement von Anke mitgekriegt hätten (also von Frau Engelke). Hatten wir, sehr cool, die Frau!

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  2. ESC ja das Ergebnis wird zur Kenntnis genommen und gut den Song des Gewinners kenne ich
    auch nicht.

    Gruß
    Noke

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  3. ESC hat bei Nicole auch bei mir auf gehört und man kann wirklich kaum mehr zu hören was sie da singen auch Lena war ätzend für mich und heute noch...
    Lachnummer mit den 12 Punkte vergab was immer wieder gesagt wird dass da geschummelt wird!
    Ich brauch so was nicht, was für Lachkomödienstadel*zwinker*

    Lieben Gruss Elke

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  4. Hallo,

    eigentlich finde ich es schade. Früher, gehörte diese Sendung einfach dazu. Aber diesesPunkte schieben, ist einfach nicht mehr schön. Trotzdem haben meine Kids und ich reingeschaut. Schon der Kinder wegen. Aber die Punktevergabe haben wir uns geschenkt. Nunja, man muss sich abfinden, es ist nichts mehr wie früher.

    Lg

    Barbara

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  5. Hallo Dieter, ich bin auch kein wahrer ESC-Fan, habe aber während bloggen und Fotos bearbeiten die Sendung weitgehend mitbekommen. Roman Lob finde ich "ganz nett", er kommt ziemlich normal rüber, ein Bekannter hatte ihn in Troisdorf unter seinen Fittichen, er war sein Ausbilder und sagt, er sei wirklich so nett und normal. Das Lied "Standing still" ist eine schöne Pop-Hymne finde ich und Deutschland hat damit neben all dem bescheuerten und übertriebenen Schrott wirklich etwas Normales damit abgeliefert. Über den Sinn und Unsinn des ESC kann man natürlich streiten. Das in Baku dafür extra so ein Glitzerpalast gebaut wurde,halte ich für total übertrieben... da sind Leute umgesiedelt worden, wie man das im großen Stil nur vom Braunkohle-Gebiet kennt,so ein Schwachsinn. Hoffentlich wird diese Halle dort in Zukunft wenigstens genutzt....und verfällt nicht. Anke Engelke hat bei der Punkteabgabe übrigens "durch die Blume gesprochen" etwas sehr Zutreffendes über das Ausrichterland gesagt- sehr mutig,sehr tough.
    Viele Grüße
    Marita

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  6. Eigentlich müsste allein der Titel "ESC" schon geändert werden, weil das mit Europa eigentlich nichts mehr zu tun hat. Das ist aber bitte jetzt nicht negativ zu verstehen.
    Die Punktvergabe, das Zuschieben der Punkte unter den Nachbarländern ist sowieso völlig daneben.

    Roman Lob, ein sympathischer junger Mann, eine gute Stimme, er kann sich freuen über seinen 8. Platz.

    Schade für Engelbert Humperdinck über sein schlechtes Abschneiden, was ich nicht nachvollziehen kann. Er hatte einen super Song, klasse präsentiert und da kann man nur sagen: "Chapeau, Engelbert!"

    Liebe Grüße
    Christa

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