Samstag, 16. November 2013

379 km/h

Phlippinen; Quelle: www.todayonline.com
… die Spitzenböen des Taifuns Haiyan lagen außerhalb meiner Vorstellungskraft. Dieses irrsinnige Tempo irgendwo zwischen ICE und Flugzeug hatte alles zerfetzt, was sich in den Weg stellte. Ich muss relativieren: es waren 314 km/h mittlere Geschwindigkeit, was der Zerstörungskraft ungehemmt freien Lauf ließ.

Ich erstarrte, war sprachlos. Ansonsten habe ich meine Probleme mit Katastrophen in Nachrichtensendungen, denn ich neige zum Wegschauen. Es gehört zum Geschäftsmodell von Nachrichtensendungen, in allen Winkeln der Erde nach Unglücken und Katastrophen zu suchen, so dass sie in all der Informationsflut untergehen. Aber die 379 km/h brachten meine Aufmerksamkeit in Fahrt.

Es sah so aus, als sei ein riesiger Rasenmäher über alles drübergefahren. Bäume waren wie Streichhölzer umgeknickt, Autos wurden wie Spielzeug durch die Luft gewirbelt, Dächer wurden weggerissen, Häuserwände stürzten ein, Strommasten knickten um.

Otto Dix - Flandern (1936)
Quelle: www.ottodix.org
Nur noch ein Torso von Landschaft war in den Philippinen übrig geblieben. Abgesäbelt, weggerissen, zerfetzt. Die kümmerlichen Reste der Natur erinnerten an die Schlachtfelder in Flandern oder in Verdun im ersten Weltkrieg. Menschen, die vor der höllischen Windmaschine in ihren Häusern Schutz suchen mussten, dürfte es kaum anders ergangen sein wie Menschen in Köln, die im zweiten Weltkrieg in Luftschutzkellern oder in Bunkern Luftangriffe überleben mussten. Was für die Kölner Bevölkerung die Detonation der Bomben und die Erschütterungen waren, das waren auf den Philippinen das Heulen des Windes, der peitschende Klang des aufgestachelten Meeres und die nicht zu bändigende Energie des Windes, der die Zerstörungskraft von mehreren Atombomben hatte. Die meisten Menschen waren sogar nackt und schutzlos ausgeliefert, denn ihre primitiven Bambushütten wurden gleich bei den ersten Windstößen hinweggefegt.

Ich schauderte. 3.637 Menschen wurden getötet, 3 Millionen hatten kein Dach mehr über den Kopf. Ich schüttelte den Kopf. Ich war mir bewusst, dass die Helfenden an ihre Grenzen stießen, ich hoffte, dass die Hilfe und Nahrung alle erreichen würden.

Köln 1945
Quelle: www.wikipedia.de
Die einen Katastrophen – Kriege – hatten sich die Menschen als Tötungsmaschinerie gegen andere Menschen selbst gemacht. Die anderen Katastrophen – Super-Stürme, Sintfluten, Unwetter – waren den Urgewalten der Natur entsprungen, wobei der Mensch bei den 379 km/h Windgeschwindigkeit ein Stück weit die Hände mit im Spiel hatte. Ein Klimaschutzabkommen ist nicht in Sicht. Heiß wird diskutiert, debattiert, gestritten, Uneinigkeit gezeigt. Solange ist die Menschheit Gefangener der eigenen Treibhausgase. Wir Europäer hatten Glück. Die Schreckenskammer der Wetterküche hatte am anderen Ende der Erde gewütet.

Die Menschen auf den Phlippinen mussten sich vorgekommen sein wie beim jüngsten Gericht. So wie auf den Schlachtfeldern von Ieper, Langemarck oder Verdun im ersten Weltkrieg. Oder in den Luftschutzkellern in Köln im zweiten Weltkrieg. So als hätte ihr letztes Stündlein geschlagen. So als würde draußen der Sensemann warten, um sie umzusensen und ins Jenseits zu befördern. So als wäre es ein Gottesurteil, ob die Menschen von einer herabstürzenden Häuserwand begraben werden oder nicht. So als würden die apokalyptischen Reiter an die Haustüren anklopfen und den Weltuntergang ankündigen.

Phlippinen, Quelle: www.techniasia.com
Der Weltuntergang wird auf sich warten lassen. Das Jahr 1000 war eine magische Zahl, als die Menschen im Mittelalter sich seelisch auf den Weltuntergang vorbereiten. Am 21. Dezember letzten Jahres flüchteten Menschenmassen in das südfranzösische Kaff Burgarach, um dem Weltuntergang, den der Maya-Kalender vorhersagte, zu entkommen. Der Weltuntergang ist ausgeblieben.

Ich tue mich schwer, die Welt als EINE Welt zu begreifen. Den Klimawandel und das jüngste Gericht werden wir nur als EINE Welt überleben. Katastrophen können Antriebe liefern. Ich denke, dass wir zumindest in Deutschland aus Seveso oder Bhopal gelernt haben. Es gibt Hochwasserschutzprogramme. Wir haben den Ausstieg aus der Kernenergie beschlossen. Die Energiewende umfasst ein breites Konzept zum Ausbau der erneuerbaren Energien.

Es tut sich durchaus etwas. Aber viel zu langsam. Allen voran die USA – gibt es Bremser auf der ganzen Welt.

8 Kommentare:

  1. Es ist wirklich schlimm was passiert ist und tatsächlich noch schlimmer das es Menschen ung Länder gibt die es immer noch nicht kapieren und sogar diese Veränderungen nicht mit einem Klimawandel sehen wollen.

    Wir, als Gäste der Erde, sollten sie respektieren und uns nicht wundern wenn sie sich dann wehrt.

    Die Menschheit zerstört nicht nur sich selbst durch diese Aktionen.

    Lieben Gruß

    Nova

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  2. Hej Dieter,
    die Natur wird "rasend", wenn wir weiterhin so mit ihr umgehen und ins Ungleichgewicht bringen, was vom Ausgleich lebt. Meine Meinung ist, dass das JEDER verstanden hat. Es ist also keine Frage der Intelligenz oder des Wissens mehr. Was ist dann? Diese Katastrophen sind auch ein Spiegelbild der Weltgesellschaft, die ihrerseits so enorm ins Ungleichgewicht gestürzt ist. Keiner, kein Staat mag den Anfang machen, denn man könnte schließlich am Ende "schlecht dastehen". Ich sage: macht endlich den Anfang, sonst steht am Ende keiner mehr aufrecht.

    Sonnigen Sonntag Dir
    Beate

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  3. Ja. Das ist eine "verrückte Sache" mit der Natur. Solche grauenhaften Ereignisse zeigen uns Menschen unter anderem, dass wir nichts aber auch gar nichts im Leben im Griff und unter Kontrolle haben.
    Im Grunde sind wir komplett ausgeliefert ...

    Trotzdem oder vielleicht gerade deswegen wünsche ich dir HEUTE einen wundervollen Tag
    Brigitta

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  4. Ja, was da auf den Phillipienen passiert ist, ist wirklich furchtbar,
    und die Naturkatastrophen werden allgemein immer schlimmer.
    Und du hast auch Recht, dass es mit der Energiewende viel zu langsam voran geht,
    aber da bremsen sie hier in Deutschland auch ziemlich, und haben verhindert, dass
    viele Hausbesitzer ihrem Beitrag zur Energiewende zufügen. Aber das ist eine längere Geschichte...

    LG an dich
    Conchi

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  5. Ich glaube, wir neigen alle zum Wegschauen - uns geht es gut, die anderen Teile der Welt sind betroffen.
    Energiewende ist schön und gut, aber sie darf nicht zu Kosten unseres Wohlstands passieren. Der Politik ist eine gewonnene Wahl am Wichtigsten, egal ob in Deutschland oder in USA - und wenn ich schaue, wie Deutschland gewählt hat, da ist der Unterschied zu USA gar nicht so ganz groß. Ausstieg aus der Kernenergie ist schön und wichtig. Aber welche Unternehmen werden Subventioniert... welche haben Vorteile? Da ist noch viel Handlungsbedarf, auch bei uns.

    Wünsche Dir einen schönen Sonntag!

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  6. Ja, die Naturkatastrophen werden immer verheerender. Die Taifun-Katastrophe auf den Philippinen, habe ich ergriffen und mit Bestürzung in den Medien verfolgt. Es ist wirklich grauenvoll, und noch sind die Ausmaße nicht gänzlich erfasst worden.
    wieczoramatische Grüße zum Sonntag, (◔‿◔) | Mein Fotoblog

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  7. Dieter, Naturkatastrophen hat es immer und wird es immer
    geben. Sie werden gewaltiger.
    Früher gabe es auch noch andere "Gewalten". die Pest z.B. die ganze Landstriche
    entvölkerte.
    Wenn wir der Erdwärmung nicht sehr schnell entgegentreten, ist es zu spät.Aber
    das sieht man ganz oben wohl nicht so krass.
    Einen guten Start in die neue Woche wünscht dir
    Irmi

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  8. Wieder mal der typische Presse-Hype. Was ist denn mit Haiti und der furchtbaren Katastrophe, nun ein paar Jahre her?! Man hört, liest, sieht überhaupt nichts mehr. Da werden Nachrichtengeschäfte mit den Katastrophen gemacht und dann interessiert es keinen mehr. Mich würde schon noch interessieren, ob die Menschen in Haiti sich inzwischen erholt haben, was mit all den Spendengeldern gemacht wurde etc. Mit den Philippinen wird es genau so sein ;-(
    LG, Franka

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