Montag, 27. Mai 2013

Bild & Express

Es gibt Momente, da verstehe ich mich selber nicht. Ich schaue dorthin, was ich eigentlich nicht wahrnehmen will. Brot und Spiele. Die Masse will gefüttert werden, bedient werden mit Schlagzeilen, die Masse will ihre inneren Antriebe nach Neugier, Klatsch, Promis zufrieden stellen. Ich verweile an den roten Zeitungskästen von Bild und Express, sauge die Schlagzeilen in mich hinein. Tagtäglich stelle ich fest, dass es nicht die wirklichen Probleme sind, die die Massen bewegen. Die Psychologie der Massen ist höchst einfältig, geradezu primitiv, und sie will diese Aufreger und Knaller.


Für so manchen führt der erste morgendliche Gang zum Zeitungskasten.



Gewalt und Verbrechen sind geeignete Aufreisser.

  
Schlagzeilen gehen wider den menschlichen Verstand.

  
Gerne wird pauschal geurteilt. Mit der Wortschöpfung „Hartz IV-Betrüger“ assoziiere ich, dass der Betrug bei Hartz IV weit verbreitet ist.


Es ist wieder soweit: der 1. FC Köln liefert regelmäßig Schlagzeilen. Mit einer gewissen Konstanz geht die Suche nach einem neuen Trainer los. Es darf fleißig spekuliert werden.

  
Schöne Frauen …


… und schöne Männer dürfen nicht fehlen.



An Beziehungskisten, wer mit wem, reiben sich die Massen warm.



Eine der Freud’schen Urtriebe – nämlich Sex- füllt regelmäßig die Schlagzeilen.


Ausschweifungen und Exzesse krallen sich gerne an der Boulevardpresse fest. Jenny Elvers liefert so viele Schlagzeilen, dass sie es – wenn ich es schaffe – einen eigenen Post Wert ist.


Und dies ist die Schlagzeile, die ganze Völker bewegt: Kate ist schwanger !

Donnerstag, 23. Mai 2013

50

… diese magische Leserzahl auf meinem Blog habe ich dank Moni zum zweiten Mal erreicht. Die magische Zahl 50 hatte ich im Oktober letzten Jahres sogar überschritten. Da ich Bloggen als Suche nach meiner eigenen Identität begreife, hatte ich mich danach in „rheinland-blogger“ umbenannt. „dieter759“ klang mir als Blogger-Identität zu hohl, zu kryptisch, eine anonyme Wort-Zahlen-Kombination, die ich aus dem Hut gezaubert hatte, weil mir nichts besseres eingefallen war.

Vom Nullpunkt aus hat sich danach meine Leserschaft neu formiert. Viele alte Leser sind meinem neuen Blog-Namen treu geblieben. Es sind auch neue Leser dazugekommen, dafür finden sich ein paar alte Leser nicht mehr in meiner Leseliste wieder. Und es gibt viele bekannte, anonyme und stille Leser außerhalb des Dunstkreises meiner Leseliste. Danke an alle für das fleißige Blog-Lesen ! Und natürlich für das fleißige Kommentieren, wobei ich nicht zwingend erwarte, dass jeder Leser etwas kommentieren muss.

Ich bin mir dessen bewusst, dass all die fleißigen Leser und Leserinnen bisweilen Geduld mitbringen müssen, denn ich zeige nicht nur schöne Bilder, wie es im Rheinland aussieht. „Le beau est toujours bizarre“ – das Schöne sieht immer komisch aus – so hatte einst Charles Baudelaire gesagt. Dies betrachte ich als Herausforderung im Alltag, nicht nur diejenigen Dinge zu sehen, die man allgemein als schön wahrnimmt. Sondern auch banale, abstoßende, unschöne, funktionale, zweckmäßige, laute oder häßliche Ecken des Alltags, über die man sonst gerne hinweg sieht. Dies betrachte ich als die eigentliche Kunst des Sehens.

Das Geschriebene soll bewusst Denkanstöße liefern. „Das Gleiche lässt uns in Ruhe, aber der Widerspruch ist es, der uns produktiv macht“ nach dieser Lesart von Goethe schreibe ich gerne meine Texte. Ich will nicht unterhalten, schönreden oder an der Oberfläche herum kratzen. Ich thematisiere gerne, reiße Problemfelder auf, analysiere menschliche Verhaltensweisen, bewerte Rahmenbedingungen, dramatisiere. Wenn ich tief genug ins Innere der Dinge hinein schaue, klaffen überall Widersprüche, die mich voran treiben.

Danke auch an alle Leser aus dem Ausland, die mittlerweile aus den Niederlanden, aus Belgien, Frankreich, England, Spanien, Portugal, Schweden, Polen und Russland kommen. Carolina, die am weitesten entfernte Leserin, kommt sogar aus Argentinien. Den einen oder anderen Leser aus dem Ausland bitte ich um Verständnis, dass meine Kommentare etwas rarer geworden sind, denn mit dem (teilweise grotten-schlechten) Google Translator dauert das Abfassen der Kommentare in einer Fremdsprache effektiv länger.

Als „rheinland-blogger“ möchte ich meinem Namen gerecht werden und meine Themen noch stärker auf das Rheinland konzentrieren. Durchschnittlich schaffe ich 4-6 Posts pro Woche. Mein Ziel ist es, zu mehr als der Hälfte über das Rheinland zu schreiben, wobei weiterhin ein gewisser Themenanteil verbleiben wird, der nichts mit dem Rheinland zu tun haben wird. In diesem Teil werde ich über alles und Gott und die Welt philosophieren. Um werthaltige Themen zu finden, habe ich eine Ideenliste gesammelt, die ich Stück für Stück abarbeite. Dabei entstehen genauso Spontanideen, die ich teilweise direkt noch an demselben Tag herunter schreibe.

Beheimatet zwischen Köln und Bonn, gibt es in meinem Blog diverse „weiße Flecken“ auf der Landkarte des Rheinlandes. Je mehr ich mich von meinem Heimatort entferne, um so mehr breiten sich diese „weißen Flecken“ aus, über die ich noch nichts geschrieben habe. Um diese „weißen Flecken“ mit Themen und Geschichten zu füllen, werde ich wahrscheinlich auf einzelne Blogger zukommen und fragen, inwieweit ich Bilder aus deren Blogs in meinem Blog zeigen darf. Bezogen auf Posts zu Glockentürmen, hat dies mit zwei Bloggerinnen aus Frankreich wunderbar funktioniert. Um diese Bilder herum würde ich dann eine Geschichte schreiben, die ich mir ausgedacht und recherchiert habe. Meine Endvision wäre es, dass mein Blog eine Sammlung von ganz vielen Geschichten aus dem Rheinland wäre. Wobei der Anteil, in dem ich über alles und Gott und die Welt philosophieren würde, nicht wegfallen würde.

Danke an Moni und danke an Euch alle, dass ich die magische Schallgrenze von 50 erreicht habe. Danke, damit das Bloggen weiterhin so viel Spaß bereiten wird wie bisher !

Mittwoch, 15. Mai 2013

St. Maria Lyskirchen


Den Dachstuhl haben Bomben und Granaten des zweiten Weltkrieges weggerissen. Unter dem Dachstuhl geschah ein Wunder, denn die Gewölbe mit den Deckenmalereien aus dem Jahr 1230 blieben unversehrt. Maria Lyskirchen und der Dom – das sind ungefähr die einzigen Kölner Kirchen, die den Bombenhagel des zweiten Weltkriegs halbwegs überlebt haben. Während in den übrigen elf romanischen Kirchen die Kriegsschäden erst 1984 komplett beseitigt worden waren, kam Maria Lyskirchen glimpflich davon.

948 erstmals urkundlich erwähnt, unterscheidet sich Maria Lyskirchen nicht nur durch den Zerstörungsgrad nach dem Krieg, sondern auch durch die Größe von den anderen romanischen Kirchen. Oder vielmehr: Maria Lyskirchen ist klein, kompakt, übersichtlich, reich gegliedert. Getrennt durch die Rheinuferstraße, steht die kleinste romanische Kirche in einer angenehmen Entfernung zum Rhein. Ich wundere mich nicht, dass über dem Türsturz der Rheinpegel am 28. Februar 1784 angezeigt wird, wenngleich die Hochwasser des letzten Jahrhunderts die Kirche verschont hatten.

Ein Stück über der Hochwassermarke ermahnt mich das mächtige Kirchenportal. Die sieben Todsünden sind über dem Kirchenportal zu vier Todsünden zusammengeschrumpft. Feinste Stuckarbeiten verdeutlichen menschliche Charaktereigenschaften, die uns besessen machen können, uns quälen und nicht mehr loslassen: invidia (Neid), superbia (Stolz), avaria (Geiz) und avaritia (Habgier). Menschliche Gesichter verheddern sich in der versponnenen Struktur der Ornamentik, mit ihren Körpern sind sie eingesperrt in halbkreisförmige Nischen.

Kirchenportal mit Hochwassermarke und Ornamentik
Deckenmalereien
Im Inneren bräuchte ich einen Führer und viele Informationen, um all die Deckenmalereien zu verstehen. Die Deckenmalereien teilen sich auf  in Szenen aus dem Alten und dem Neuen Testament. Dahinter steckt ein System: Propheten und Geschichten aus dem Alten Testament werden als Verkündigung begriffen, die Begebenheiten im Neuen Testament nach sich ziehen. So wird das Gastmahl der Ahaaver im Alten Testmant mit dem letzten Abendmahl im Neuen Testament in Verbindung gebracht, die Hiobslegende aus dem Alten Testament mit der Geißelung Christi im Neuen Testament usw. Das ufert aus, weil mehr als 50 Szenen zuzuordnen sind. Wälzer von Büchern sind darüber geschrieben worden.

Gemälde im Altarraum
948 wird Maria Lyskirchen als Kirchlein bezeichnet – lateinisch „ecclesiola“. In derselben Urkunde erscheint der Name „Lisolph“, woraus später das Wort „Lyskirchen“ entstanden ist. Zum Leidwesen der Kölner Bürger ließ sich die Entstehungsgeschichte vor 948 nicht weiter zurück verfolgen, zumal in historischen Quellen nichts gefunden wurde. Die Kölner hätten gerne ein weitaus höheres Alter der Kirche für sich beansprucht. Die Krypta, wie man sie heute vorfindet, stammt aus dem 13. Jahrhundert. Man vermutete eine Gebetsstätte zum Gedenken an den Heiligen Maternus, der von 313 bis 314 Bischof von Köln war. Da der Heilige Maternus mit dem Apostel Paulus in Verbindung gebracht wurde, verlegten die Kölner die Entstehungszeit von Maria Lyskirchen kurzerhand in die tiefste Römerzeit. Die Spekulationen entfachten einen Streit um Reliquien. Vorher beziehungsweise nachher war Maternus Bischof von Trier und Tongeren. Die Trierer behaupteten, dass der Reliqiuenschrein im Trierer Dom Gebeine des Heiligen Maternus enthalten würde. Was wäre gewesen, wenn Überreste des Heiligen Maternus in Köln gefunden worden wären ? Der Streit endete endgültig 1972, als Probebohrungen unter Maria Lyskirchen auf keinerlei Vorgängerbauten einer Kirche gestoßen waren.

Wenn ich lange in die 80er Jahre zurück blicke, habe ich in dieser Kirche sogar zeitweise die sonntäglichen Gottesdienste besucht. Der Kirchenraum einer romanischen Kirche ist wahrhaft imposant. Zwei wuchtige Gemälde thronen über dem Altarraum. Altäre und Kirchenfenster sehen so aus, dass sie steinalt sind. Wie in den 80er Jahren, beeindruckt mich der volksnahe Charakter der Kirche.

Neben dem Hauptportal steht über den üppigen Blüten von Schneebällen eine Marienstatue – der Namenspatronin von Maria Lyskirchen. Sie ist mindestens genauso steinalt wie das übrige Inventar der Kirche, denn sie stammt aus dem Jahr 1420. Seitdem wird sie mit ihrer Nähe zum Rhein als Schiffermadonna bezeichnet und gibt Volk und Schiffsleuten ihren Segen.
Schiffermadonna
Ave Maria auf Kölsch
Dass sie auf Kölsch angebetet wird, ist auf einer weißen Tafel dokumentiert:
„Meer jrößen de Mutterjoddes
Meer jrößen dich Maria
Do beß voll vun Jnad
Der Här eß met Däär
Do beß gesänt unger de Fraue
Un jesänt eß de Frooch in dingem Liev Jesus
Hellije Maria, Mutter Joddes
Bedd vörr ons wa mer schöldig sin
Jetz un en unser letzte Stund
Amen.“

In der Weihnachtszeit habe ich übrigens etwas wichtiges verpasst, nämlich mir die sogenannte „Milieukrippe“ anzusehen. Die Szenen wechseln zwischen den Adventswochenenden, wobei die Krippe bis Anfang Februar zu besichtigen ist. Die Umgebung der Krippe wird in die 1930er Jahre verlegt, als das Stadtviertel um Maria Lyskirchen noch in sich geschlossen war. Zerstört haben zum einen Kriegsschäden dieses Stadtviertel, zum anderen der Bau der Severinsbrücke in den 50er Jahren.

Alle Krippenfiguren sind Handarbeit. Lauter Außenseiter der Gesellschaft sind in der Krippe dargestellt worden. Zum Beispiel das Roma-Mädchen, das mit ihren Eltern aus ihrem Heimatland auf dem Balken eingewandert ist. Viele Kommunen grenzen Sinti und Roma auf Wohnwagenstellplätzen ohne Wasser- und Stromanschluss aus. Politiker wollen Maßnahmen ergreifen, um den Zuzug von Armutsflüchtlingen zu stoppen. In der Milieukrippe hat sich auch der römische Volkszähler aus der Weihnachtsgeschichte wiedergefunden. Er hat in der Wüste gestanden und reihenweise Asylanträge abgelehnt. Andere Krippenfiguren waren Prostituierte, Waisenkinder, Nichtsesshafte oder Drogenabhängige. Die Milieukrippe zieht Besucher weit außerhalb des Stadtgrenzen Kölns an.

Ich verlasse Maria Lyskirchen und gehe zum Rheinufer zurück. Nahe dem Schokoladenmuseum blicke ich auf die übersichtliche Gestalt von Maria Lyskirchen zurück. Abermals habe ich kennen gelernt, dass nicht nur die großen Dome und Kathedralen beeindrucken, sondern auch die kleinen Kirchen.

Freitag, 10. Mai 2013

wozu Erziehung ?

Rund eine halbe Stunde sollte die Zugfahrt dauern. Am Hauptbahnhof war ich in den Zug eingestiegen. Mit dem Strom der Fahrgäste, die in Schüben vorwärts drängten, gelangte ich in das obere Geschoss des Personenabteils. Die Sonne stand hoch am Himmel und warf scharfe Schatten der Fensterumrandungen auf den Mittelgang. Dort irrten die Fahrgäste herum, sie hatten Zeitungen oder Aktentaschen unter ihre Arme geklemmt,  Frauen schleiften ihre Handtaschen über ihren Schultern, Rücksäcke hingen als beiläufiges Anhängsel an manchen Rücken herunter. Ich stieß die gläserne Türe zum Nichtraucherabteil auf. Die Reisenden sortierten sich in die freien Sitzplätze, die ich einzeln mit meinen Augen absuchte, denn der Regional-Express war am späten Nachmittag gut gefüllt.

Der Zug stand abfahrbereit, mein Blick tatstete sich träge zwischen stehenden Menschen, bis ich direkt vor mir die freie Lücke an einem Vierer-Sitzplatz erspähte. Eine Mama, zwei herum tollende Jungs, ich dachte mir nichts dabei. Abfahrt. Ich packte ein Taschenbuch aus, um mir die Bahnfahrt mit Lesen zu v ertreiben. Der himmelschreiende Schornstein der Müllverbrennungsanlage rückte nahe an mir heran. Dann wurden die Gleise schmaler und passierten grüne Oasen von Kleingärten.

Die Mama, knapp über dreißig, eine langärmelige Karobluse über einer Jeanshose, eine Halskette aus ovalen Steinen, die Hände gefaltet, sie schaute gedankenverloren aus dem Fenster. Wir saßen uns schräg gegenüber, genauso wie ihre beiden Jungens. Der Bewegungsdrang des Jüngeren, der neben mir saß, war nicht zu bändigen. Sein grasgrünes Sweatshirt mit einem Neuneck von Dinosauriern trug die Aufschrift „DINOSAURRR !“ So wie hinter den drei „R“ hörte er nicht auf, Ausrufezeichen zu setzen, dass er da war. Er kletterte auf, über und unter die Sitzpolster. Seine Schuhe traten dorthin, wo sie zufälligerweise landeten – dabei wurde ich nicht verschont. Zwischen den Sitzen grinste er die hinter uns sitzenden Fahrgäste an, die nicht so richtig wussten, was sie von diesem kindischen Gehabe halten sollten. Die Kletteraktion war bisweilen so atemberaubend, dass er drohte, nach hinten weg zu kippen.

Die Unruhe seines größeren Bruders war nicht ganz so unkontrolliert. Er hatte sich in einer Schlafstellung zusammen gerollt, wobei sein Kopf über die Sitzlehne herausragte. Die eine Hand hatte er in seine Stoffhose gesteckt, die andere Hand schwenkte ein Bilderbuch mit lauter Baggern vor seiner Nase herum, die symmetrisch über seinen rundlichen Kopf verlief.

Dass ich in dem Kriminalroman „Tödlicher Klüngel“ lesen könnte, daran war nicht zu denken. Ständig haschten die Blicke des Jungen nach mir, die Fußbewegungen gingen um Haaresbreite an meinem Körper vorbei, ein Sturz konnte bei der Herum-Turnerei nicht ausgeschlossen werden. Anderen Fahrgästen war das übermotivierte Verhalten ebenso nicht entgangen.

Sollte ich mich in die Erziehung einmischen ? Sollte ich der Mama sagen, dass sie ihren Jungens sagen sollte, was sie dürfen und was sie nicht dürfen ? Als ob sie meine Gedanken erraten hätte, drehte sie sich weg vom Fenster. Da die Bahnlinie sich unterhalb der Böschung verkroch, blieb der Ausblick an eintönigem Gestrüpp hängen. Mein Blick wies eindeutig auf ihren Sohn, dessen Gebaren aktionsgeladen war wie das Kriegsgeschehen in einem Star-Wars-Film.

Entschuldigend meinte sie: „Im Zug sind die beiden so anstrengend. Wenn ich sie daran hindere herum zu toben, schreien sie den halben Zug zusammen. Zu Hause können sie so lieb sein.“

Zu Hause ? Wären die beiden dort wirklich anders ? Ich dachte mir, dass die beiden so anstrengend waren, weil Erziehung fehlte. Wahrscheinlich hatte die Mama mit den kastanienbraunen langen Haaren gar keine Lust darauf, ihre Kinder zu erziehen. Oder sie war überfordert damit. Oder sie war alleinerziehend. Aber umgekehrt hatte ich in meinem Leben so viele alleinerziehende Mütter kennen gelernt, deren Kinder sehr wohl erzogen waren.

Desinteressiert, senkte sich ihr Blick zurück auf diesen passiven Himmel, der sich von mächtigen Wolkengebilden zerfurchen ließ. Pralle Salatköpfe zogen auf Feldern vorbei. Ungebremst, tobte der Kleine fleißig herum. Es war ihr egal, was ihre Kinder trieben.

Wozu Erziehung ? Vielleicht schwebte der Mama die Illusion vor, dass sie störte, wenn ihre Kinder nicht das tun konnten, was sie wollten. Welchen Mehrwert hatte Erziehung ? Schule, Lehrer, Mitschüler, Vereine, Freizeitaktivitäten, es gab so viele, die bei der Erziehung mitredeten. Alle wollten es besser machen. Konnte sie sich da nicht zurücklehnen und die anderen machen lassen ?

Ich war zwar in die Jahre gekommen, aber in solch einer Situation hätte ich mich mit meinen eigenen Kinder beschäftigt. Bilderbücher, etwas essen oder trinken oder ich hätte ihnen von der Landschaft oder von der spannenden Fahrt mit der Eisenbahn erzählt.

Als ich aus dem Zug ausstieg, war ich bedient. Die Mama brauchte sich nicht zu wundern, wenn aus ihren Kleinen in einigen Jahren Monster würden. Die nicht mehr beherrschbar waren. Die sie nicht mehr bändigen konnte. Die bekamen, was sie wollten. Die machten, was sie wollten.