Wozu diese Dauerberieselung ? Pausenlos flimmerte der N-TV-Nachrichtenticker hinter dem Postschalter, ungehemmt spuckte der Flachbildschirm Nachrichten aus. Ich wurde darüber informiert, dass die USA die Opposition in Syrien unterstützen wollte, in der Koalition gab es wieder einmal Krach wegen Joachim Gauck. „Verbaselt“ hatte der FC Bayern München sein Champions-League-Spiel, denn er hatte beim FC Basel 1:0 verloren.
Wieso genau im Blickfeld des Postschalters ? Angewidert und belästigt fühle ich mich, dass der Flachbildschirm nun Werbesprüche hervorzauberte: dass ich den Umzugsservice der Post nutzen sollte, dass der Wechsel des Stromanbieters zu Yello ganz einfach war oder dass es eines meiner tiefsten und innersten Bedürfnisse war, mich von meinem Postbank Finanz Center beraten zu lassen.
Glücklicherweise war ich heute schnell an der Reihe – ohne Warteschlange. Zum Schalter vorgearbeitet hatte sich eine junge Dame, die ihren Kinderwagen zurecht gerückt hatte und mit anhimmelndem Blick ihren bombenfest schlafenden Säugling betrachtete.
„Ein Testkäufer“
hörte ich zwei Postangestellte hinter dem Schalter tuscheln.
„Habe ich lange keinen mehr gesehen. Montag war das. Die haben sie nicht mehr alle. In der Teambesprechung stellte unser Chef das so dar, als sei dies das wichtigste auf der Welt … „
Als sich die Dame mit dem Kinderwagen weggedreht hatte, war ich an der Reihe. Über die Postangestellten kann ich nicht meckern. Sie sind bestimmt, offen, meistens freundlich, ich habe sie kaum schlecht gelaunt erlebt und bei alledem, was ich von ihnen wollte, haben sie mir immer weiterhelfen können.
Ich zückte meinen Brief auf die Schaltertheke. Frankieren, bezahlen.
„Haben Sie eigentlich ein Girokonto bei der Postbank ?“
fragte der junge Mann mit dem Lockenkopf und der viel zu steifen, schräg gemusterten schwarz-gelben Krawatte fleißig drauf los.
Ich war irritiert und im ersten Moment sprachlos. Wieso musste ich mich rechtfertigen, dass ich bei einer anderen Bank als bei der Postbank mein Girokonto hatte ? Das ging doch den Angestellten, der mich gerade angesprochen hatte, überhaupt nichts an ? So wie es ihm auch egal war, ob ich bei ALDI, LIDL, Netto oder sonstwo einkaufte.
„Mein Girokonto bei der Postbank habe ich seit 2 Jahren gekündigt“ entgegnete ich.
Um weiteren Rechtfertigungsarien zu entgehen, schob ich nach:
„Sie sind zu teuer. Ich habe zu einer Bank gewechselt, da bekomme ich die Kontoauszüge kostenlos zugesandt, die Kreditkarte ist kostenlos, ich bekomme Guthabenzinsen aufs Girokonto, für den Dispokredit zahle ich 9% Zinsen. Das können Sie mir nicht bieten.“
„Das ist bestimmt eine Online-Bank, bei der Ihr Konto ohne persönliche Beratungsmöglichkeit und ohne jegliches Filialnetz geführt wird“ ließ er nicht locker. In Teilen hatte er Recht. Ich hatte aber aus Überzeugung meine Bank gewechselt. Und ich hatte keinerlei Lust, mit ihm darüber herum zu palavern.
„Stimmt nicht ganz“ entgegnete ich und kehrte mich wortlos vom Postschalter ab.
Im nachhinein deprimierte mich die Situation. Ein unbekannter, anonymer Testkäufer hatte die Gesprächslawine ins Rollen gebracht. Der Postangestellte hatte den Testkäufer nicht auf die Vorzüge eines Girokontos bei der Postbank angesprochen.
Die Unterhaltung empfand ich als verquer: im Smalltalk versucht man bisweilen, seine Mitmenschen mit aufmunternden Floskeln zu erheitern, man wahrt die Form und die Freundlichkeit. Das war kein Smalltalk, sondern Hard-Talk, knallhartes Geschäft, mich mit den Produkten der Postbank beglücken zu wollen.
Ich dachte an der Begriff einer Win-Win-Situation. Eben hatte ich das Gegenteil erlebt, eine Loser-Loser-Situation. Gewinnen konnte der Postangestellte nicht, denn die Anzahl der gewonnenen Kunden für ein Girokonto dürfte wohl im niedrigen einstelligen Bereich liegen. Ich war auch kein Gewinner, denn das Gespräch war ohne Sinn und Inhalt und die Kundenbeziehung mit mir war aufs Erste ruiniert.
Vielleicht hatten andere Kunden am Postschalter mehr Glück. Wenn jemand auf die Idee käme, die Testkäufer langsam von der Bildfläche verschwinden zu lassen.