Freitag, 23. Januar 2015

Zivilcourage

Burkan Ilhan wurde zum Helden. Köln-Bocklemünd vor einer Woche. In einem Stadtbezirk voller Häuserblocks aus Mietwohnungen half Burkan Ilhan (22) gerade seinem Vater beim Renovieren, als er Hilferufe auf der Straße hörte. Ein Pulk von Schlägertypen wollte über einen Familienvater mit seinem Sohn herfallen, doch dies verhinderte Burkan, indem er diese gemeinsam mit Vater und Bruder vertrieb. Das Angebot einer Nachbarin, die Polizei zu rufen, winkte er ab. Das war ein folgenschwerer Fehler, denn die zehn bis fünfzehn Schläger kamen zurück und bestraften den jungen Mann für seine Zivilcourage. Mit Messern und Böllern bis an die Zähne bewaffnet, schlugen sie mit einem Metallpfosten auf ihn ein. Schwer verletzt überlebte Burkan, nachdem die Ärzte den zertrümmerten Schädel mit einer Stahlpatte zurecht flicken konnten.

Als sein Gesundheitszustand nach einer Woche stabil war, trat er als Held vor die Kamera. Sein Verhalten habe Sinn gemacht, weil es einem guten Zweck gedient habe. Er würde immer wieder so handeln. Sein Handeln sei richtig  ein kleiner Schritt für die Menschheit. Und er hätte auch keine Angst gehabt.

Solche Situationen sind mir erspart geblieben, glücklicherweise, dass ich entscheiden musste zwischen Zivilcourage und Wegschauen. Ich muss zugeben, wahrscheinlich hätte ich weggeschaut oder mir auf einer logischen Ebene zurecht konstruiert, dass alles gut wird, dass keinerlei Gefahr besteht oder dass andere höhere Zufälle alles richten werden. Und damit hätte ich auch nicht alleine gestanden, denn mit der Anonymität unserer Gesellschaft schwindet auch die Verantwortung oder die Fähigkeit zu Empathie, dem Einfühlungsvermögen, sich in einen anderen Menschen hinein versetzen können. Ebenso wurde in Experimenten mehrfach beweisen, dass bei Belästigungen und Übergriffen in Fußgängerzonen alle vorbei spazieren und niemand eingreift. Die Zivilcourage des Burkan Ilhan kann nicht hoch genug bewertet werden.

Mich erschreckt die Umkehrung des Heldentums. Häuserblocks wie diejenigen in Bocklemünd-Mengenich sind Normalität, sie gelten nicht als soziale Brennpunkte, die durch Hartz IV oder spezifische Armutsstrukturen geprägt sind. Ein hoher Ausländeranteil ist genauso normal vielen Stadtteilen Kölns. Kann man sich noch ruhigen Gewissens auf die Straße begeben ? Überall in Köln habe ich mich sicher gefühlt, selbst im Problemviertel Chorweiler. Diese Zeiten scheinen nun vorbei zu sein. Heldentum scheint sich auch über Gewalt zu definieren. Je wehrloser die Opfer und je unmotivierter die Tat, diese Täter kann sich genauso mit dem Titel eines Helden brüsten. Wir brauchen mehr Helden vom Schlag eines Burkan Ilhan. Sonst droht, dass der Mob sich auf der Straße wie Ungeziefer ausbreitet.

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