Donnerstag, 17. Oktober 2013

Supertramp - Rudy

Der Herbst hat Einzug gehalten, die dunkle Jahreszeit ist eingeläutet worden. Zeit für mich, die Annehmlichkeiten im Hause zu genießen. Seit Monaten der Ruhe, drehe ich wieder mein Internet-Radio auf. Planet Rock, dieser englisch-sprachige Radiosender stellt mit seiner Musik alles in den Schatten, was deutsche Radio-Sender an Musik aus dem Äther ausstoßen. „Southern Man” von Crosby, Stills, Nash & Young, “Silver Machine” von Hawkwind, “All along the Watch Tower” von Jimi Hendrix oder “Running with the Devil” von Van Halen.

Dann stand meine Aufmerksamkeit still, ich hielt den Atem an, sog jedes einzelne Wort in mich hinein, denn dieses Stück hatte ich jahrzehntelang nicht mehr gehört: „Rudy“ von Supertramp von der LP "Crime of the Century" (1974). Weil der Text so sehr meine eigenen Lebenserfahrungen widerspiegelt, drehte und wendete ich meine Gedanken von allen Seiten, um einen Post darüber zu schreiben.

Die Symbolik ist treffend und aussagefähig: das Stück beschreibt Rudy, wie er auf einen Zug aufspringt.
„Rudy's on a train to nowhere, halfway down the line …”

Jeder Mensch springt im Leben auf einen Zug. Von dem niemand weiß, ob er in die richtige Richtung fährt. Während der Fahrt nagt der Zweifel: stimmt die Richtung ? Sind die Ziele richtig gesetzt ? Die Zweifel nehmen Überhand. In sich gekehrt, handelt Rudy nicht, sondern er überlegt und überlegt und überlegt …

“He don't wanna get there, but he needs time … after all the hours he wasted, still he needs time …
Zögernd und zaudernd, kenne ich solche Situationen allzu sehr. Ich plane, ich mache und tue, von dem ursprünglichen Plan setze ich nur einen schlappen Teil um. Ich verliere das Ziel aus den Augen, neue Ziele lege ich nicht fest. Orientierungslos finde ich mich in der Rolle eines Rudy wieder: „After all the hours he wasted, still he needs time …

Als Grundübel seiner Orientierungslosigkeit identifiziert Rudy die Ebene von Beziehung oder Partnerschaft: „He ain’t had no loving … „. Dies halte ich nicht für entscheidend. Anstatt dessen wird bei einer glücklichen Beziehung und Partnerschaft die Entscheidung komplexer, auf welchen Zug alle aufspringen. Unüberschaubar wird die Entscheidung, wenn die Personenzahl und das Beziehungsgeflecht in einer Gemeinschaft größer wird. Es gibt Züge, auf die springen alle in einer Gemeinschaft auf, andere Züge bevorzugt man alleine. Prickelnd wird die Situation, wenn eine Gemeinschaft aufgesprungen ist und wenn sich auf der Zugstrecke die Gemeinschaft spaltet: ein Teil will weiterfahren, andere wollen abspringen.

„You’d better gain control now … “ wiederholt sich in dem Stück. Aber wie den Gang der Dinge kontrollieren ? Es muss jemand die Kontrolle über ein Gefüge von Verhaltensweisen gewinnen. Das ist eine Herkulesaufgabe, je mehr Personen beteiligt sind. Wenn sich eine Gemeinschaft uneinig ist, kann dies beliebig lange dauern. Fähigkeiten von Führung und Moderation werden benötigt. Gruppenphänomene können entscheiden. Wortführer bestimmen die Richtung. „Nobody loved, nobody cared … „ Rudy hat erfahren, dass die gegenseitige Wertschätzung fehlt. Die Gemeinschaft kann zersplittert sein in Einzelindividuen, die ihre Einzelinteressen verfolgen, sich nur scheinbar einfügen in die Gemeinschaft, aber anders handeln. Der Zug artet zur strategischen Spielwiese aus, weil jeder seine eigenen Nutzenkalküle verfolgt.

Das Bild des „circulus vitiosus“ drängt sich auf. Seit der antiken Philosophie und seit der Bibel hatte der Kreis sein inneres Sinngefüge. Alpha und Omega, Anfang und Ende, Tag und Nacht, Geburt und Wiedergeburt.

„Rudy’s on a train to nowhere“ … der Zug führt eindeutig in ein Nichts. In dem Stück springt Rudy zwar nicht ab, aber das Ziel und das Schließen des Kreises ist abhanden gekommen. Das innere Sinngefüge fehlt. Rudy bleibt auf dem Kreis stehen, er kann sich nicht entscheiden, er braucht Zeit, die aber zur dauerhaften Hängepartie wird. Der Kreis wird zum „circulus vitiosus“ und wird nie geschlossen.

“Now he's just come out the movie.
Numb of all the pain,
Sad but in a while he'll soon be
Back on his train...”

Bei Rudy setzt ein Erkenntnisprozess ein, der ihn regelrecht umhaut, weil seine Lage und Situation verortet wird. Das wäre eine Chance. Aber er bekommt den Hebel nicht umgelegt, sich selbst zu verändern. So wird er zur tragischen Figur. Er wird zum Dauergast auf diesem Zug. Im Stadium des Stillstands droht er in eine Abwärtsspirale hinein zu geraten.

Die einzige Reaktion ist seine Traurigkeit. Schlecht gelaunt wird er als Miesepeter den Rest seines Lebens verbringen. Und er wird auf die restliche Welt schimpfen, wie viel Böses sie ihm angetan hat.

Allzu oft ertappe ich mich selbst, wie ich meine eigenen Ziele aus den Augen verliere. Ich bin nicht so weit, dass ich wie Rudy ein solches Stadium des Stillstands erreicht habe. Aber es wuchern so viele Ideen in meinem Kopf herum, dass ich alles effektiv nicht umgesetzt bekomme. Das ist ein ständiges Selektieren, was ich mache und was auf der Strecke bleibt. Während Rudy Zeit braucht, um seinen Zielfindungsprozess in den Griff zu bekommen, mache und tue ich wenigstens.

Wobei sich trefflich darüber streiten lässt, ob ich genau die richtigen Dinge tue.


Text:
Rudy's on a train to nowhere, halfway down the line
He don't wanna get there, but he needs time
He ain't sophisticated, nor well-educated
After all the hours he wasted, still he needs time.
He needs time - he needs time for livin',
He needs time - for someone just to see him.
He ain't had no lovin'
For no reason or rhyme
And the whole world's above him.
Well it's not as though he's fat-
No there's more to it than that-
See he tried to play it cool-
Wouldn't be nobodys fool.

Rudy thought that all good things comes to those that wait
But recently he could see that it may come too late.

All through your life, all through the years
Nobody loved, nobody cared.
So dim the light, dark are your fears
Try as I might, I can't hold back the tears
How can you live without love, it's not fair?
Someone said give but I just didn't care. I didn't dare, I didn't dare What good advice are you waiting to hear?
Hearing's alright for them that's all there
You'd better gain control now
You'd better show'em all now
You'd better make or break now
You'd better give and take now
You'll have to push and shove now
You'll have to find some love now
You'd better gain control now.
Now he's just come out the movie.
Numb of all the pain,
Sad but in a while he'll soon be
Back on his train...

11 Kommentare:

  1. Dieter, ich bin begeistert, über Deinen tollen Beitrag und am Schluss den alten Song!!!
    LG Marita

    AntwortenLöschen
  2. Wow Dieter, das haut mich ja fast um einer meiner liebsten Song von Supertramp, ich hab sie mal in Dortmung gesehen. Toller Beitrag.

    Liebe Grüße
    Angelika

    AntwortenLöschen
  3. Boah Hammer der beitrag und der Song dazu, echt Klasse!
    LG, Michaela :)

    AntwortenLöschen
  4. Dieter, danke für diesen aussagefähigen Post.
    Ich habe ihn kopiert. Möchte ihn noch einmal
    in Ruhe lesen. Der alte Song ist Klasse.
    Einen schönen Abend wünscht Dir
    Irmi

    AntwortenLöschen
  5. Klasse Auseinandersetzung mit dem Songtext...und danke für das Lied. Ist mir ebenso in Erinnerung wie Breakfast in america, The logical song, oder Dreamer...
    Gruß vonner Grete

    AntwortenLöschen
  6. Du wirst lachen....auch ich habe hier noch so einen Plattenspieler und diese schwarzen runden Scheiben (so wie sie oft von der Jugend bezeichnet werden). Dazu gehören einige LP's von Supertramp, so höre ich sie heute noch gerne und fühle mich immer in die Vergangenheit zurückversetzt^^ Ich setze mich auch oft mit Texten auseinander und es ist erstaunlich was sich so manches Mal wiederspiegelt ;-)

    Liebe Grüssle

    Nova

    AntwortenLöschen
  7. wow Dieter...das Lied ist echt spitze!!!!Ich wusste den Text nixh,danke für all diese infos!
    Hab einen schönen Tag
    LG
    Christa

    AntwortenLöschen
  8. Wow, toller Post, Dieter! Der Song von Supertramp hat mich jetzt richtig begeistert.
    Danke für deinen schönen cmt.: Ich liebe den Kindermund. Leute, die nichts mehr zu verlieren haben oder dement sind, spreche aber auch die schärfsten Dinge aus.
    Gruss, Wieczora (◔‿◔) | Mein Fotoblog

    AntwortenLöschen
  9. das hast du wunderbar beschrieben Dieter!
    Es ist auch ein tolles Lied!
    Lieben Gruss Elke

    AntwortenLöschen
  10. Meine Güte, wie lange habe ich diesen Song schon nicht mehr gehört! Nur dafür schon danke, dass du ihn mir in Erinnerung gebracht hast! Aber du hast ihn darüber hinaus genial interpretiert, und ich muss zugeben, so sehr hatte ich noch nie über den Text nachgedacht.
    Liebe Grüße
    Calendula

    AntwortenLöschen
  11. ein super Song - und deine Gedanken zu dem Text finde ich auch wieder sehr lesenswert.
    ich wünsche dir ein schönes Wochenende
    lieber Gruß von Heidi-Trollspecht

    AntwortenLöschen