Dienstag, 31. Juli 2012

Kießling-Affäre



Es gibt Dinge, die kommen einem vor, als lägen sie eine Ewigkeit zurück. Neulich in Köln. Zu Fuß über den Alten Markt. Die Baustelle und der Bauzaun nervten mich, daher wich ich in eine Seitengasse aus. Das Kopfsteinpflaster war derb, die Gasse schmal, zusammengequetscht zwischen den hohen Häuserfronten.

Zufälligerweise war ich dort gelandet, wo in den 80er Jahren das TOM TOM gelegen hatte. Sechs Jahre hatte ich damals in Köln gewohnt. Mangels Bekanntenkreis und aus Langeweile war ich des öfteren durch die Kölner Altstadt geschlendert. Das TOM TOM hieß heute Carrousel. Das Schild mit zwei sich küssenden Männern wies eindeutig darauf hin, dass es sich um ein Etablissement für Homosexuelle handelte.

1984 war die Kießling-Affäre wie eine Bombe eingeschlagen. Die ganze Presselandschaft – allen voran der SPIEGEL -  stürzte sich auf Kießling und Wörner. Über Wochen und Monate hinweg war diese Affäre das dominierende Top-Thema.

Dabei erscheint die Kernaussage, was das Wertegefüge der Gesellschaft vor 28 Jahren betrifft, tatsächlich unglaublich: damals ging es um Diskriminierung von Homosexuellen. Der gesellschaftliche Umgang mit Homosexualität stellte sich als steinzeitlich heraus – wobei Gerüchte für eine solche Diskriminierung bereits ausreichten. Bis in die Politik hinein arrangiert man sich heutzutage mit der Homosexualität – unser Außenminister oder der Bürgermeister von Berlin sind lebendige Beispiele.

Was war um die Jahreswende 1983/1984 geschehen ? Gerüchte kamen auf, dass der Vier-Sterne-General und stellvertretende NATO-Oberbefehlshaber Günter Kießling homosexuell sei. Angeblich war er in homosexuellen Kreisen gesehen worden. Daraufhin recherchierte der Militärische Abschirmdienst (MAD). Auch in dem Lokal TOM TOM in der Kölner Altstadt, in dem sich damals wie heute die Homosexuellenszene traf. Als dem Wirt ein Foto von Kießling gezeigt wurde, sagte er aus: „Der Mann war früher öfter hier, vor allem im Sommer. Günter oder Jürgen nannte er sich, jedenfalls etwas mit Ü, ein Wachmann von der Bundeswehr.“ Der MAD trug weitere Recherchen zusammen und verdichtete diese zu dem Gesamtbild, dass Kießling homosexuell sei. Der damalige Verteidigungsminister Wörner entschied daraufhin, dass Kießling in seiner ranghohen Position nicht mehr tragbar war, weil er erpressbar sein könnte. Kießling stritt seine Homosexualität ab. Trotzdem einigten sich die beiden, dass Kießling ab dem 31. März 1984 in den vorzeitigen Ruhestand gehen sollte.

Die Presse bekam Wind von der Sache, als im Januar 1984 die Verabschiedung Kießlings durch eine Pressemitteilung kommuniziert werden sollte. Zunächst roch die Süddeutsche Zeitung, dass irgendetwas faul war. Dann war es der SPIEGEL, der munitiös die Vorgehensweisen des MAD recherchierte und für Aufklärung sorgte, wie stümperhaft vorgegangen worden war. Dabei fand die Presselandschaft offene Ohren bei Kießling, der ein Interview nach dem anderen gab und seine Unschuld beteuerte. Die Zeitungen deckten auf, dass die Recherchen des MAD in homosexuellen Kreisen nicht belastbar waren dass es keine einzige handfeste Zeugenaussage gab, die die homosexuelle Kontakte Kießlings beweisen konnten. Wie ein Kartenhaus fiel die Argumentation Wörners in sich zusammen. Es gab keine Grundlage für die Versetzung Kießlings in den vorzeitigen Ruhestand.

Für den öffentlichkeitswirksamen Showdown sorgte schließlich Helmut Kohl. Als klar wurde, wie dürftig die Beweislage war, bot Wörner Kohl seinen Rücktritt an, doch Kohl lehnte ab. Bei einer Bundespressekonferenz im Februar 1984 rügte er Wörner ironisch, dass er „aufregende Wochen erlebe, an die er sich in seinem Leben noch häufig zurückerinnern werde.“ Außerdem forderte er Wörner auf, Kießling im Rahmen eines großen Zapfenstreiches zu rehabilitieren.

Dieser große Zapfenstreich – die höchste feierliche Zeremonie der Bundeswehr – fand im März 1984 in der Ernst-Moritz-Arndt-Kaserne in Hessen statt. Kohl hatte Wörner in eine verdrehte Gefühlswelt hinein geschickt, denn die beiden Männer standen sich Auge in Auge gegenüber und mussten Haltung bewahren. Zorn, Enttäuschung, Verletzung, Wut – Gefühle mussten beiseite gelegt werden. Schweigen – es konnte nicht ausgesprochen werden, was die beiden dachten. Wörner war der Hauptdarsteller in einem absurden Theater, in dem er sich nicht in Luft auflösen konnte, sondern wortlos durchhalten musste.

Unverständlich ist bis heute, dass Wörner danach sogar noch eine weitere Stufe auf der Karriereleiter aufgestiegen ist. 1987 wurde er zum NATO-Generalsekretär befördert.


In der Kölner Altstadt erinnert heute auf der Häuserwand des „Carrousel“ eine überdimensionale Schlagzeile an Kießling. Im Schlagzeilenformat der Bild-Zeitung beteuert Kießling seine nicht homosexuellen Neigungen. Hingewiesen wird auf ein Interview, in dem er die ganze Wahrheit sagt. Nachgewiesen wurde nie etwas, Als Jurist hätte Wörner den alten Rechtsgrundsatz „in dubio pro reo“ (im Zweifel für den Angeklagten) kennen müssen.

Mittwoch, 18. Juli 2012

Jon Lord ist gestorben


Auf den Gipfeln des Rock thronen Deep Purple und Led Zeppelin. Dann kommt lange Zeit gar nichts. In großer Entfernung folgen die Scorpions und UFO. Dann wieder lange Zeit gar nichts. Schließlich folgen ältere Größen des Rock wie die Rolling Stones oder Grand Funk Railroad. Oder neuere Größen des Rock wie Motörhead oder Iron Maiden. Dabei ist die letzte Aufzählung beliebig erweiterbar oder differenzierbar (naja, beispielsweise gehören noch Golden Earring dazu oder Black Sabbath oder Guns’n’Roses … ).
Das erste Stück von Deep Purple, welches ich bewußt gehört habe, war „Black Night“. Seitdem hat mich die progressive Variante des Rock, wie sie damals genannt wurde, nicht mehr losgelassen.  Das war die Stimme von Ian Gillan, die Gitarre von Ritchie Blackmore und das Keyboard von Jon Lord. Irgendwann, ich meine, als „Strange Kind of Woman“ in den Hitparaden stand, hörte ich „April“. 1968 aufgenommen, stammte dieses Stück aus einer Zeit, als mehrere Gruppen versuchten, klassische Musik mit Rockmusik vereinigen. Von allen Stücken von Deep Purple ist „April“ am stärksten durch die Handschrift von Jon Lord gezeichnet. Jon Lord hat sogar Elemente der siebten Sinfonie von Beethoven integriert. Und es gibt Aufnahmen, die gemeinsam mit London Sympohny Orchestra gemacht wurden.
In den 70er Jahren kam es dann zu einem Richtungskampf zwischen Jon Lord und Ritchie Blackmore, und zwar zwischen klassischen und traditionellen Elementen bzw. der Trend zu immer härteren Klängen des Rock. Wie wir alle wissen, hat sich Ritchie Blackmore durchgesetzt. Eines der besten Alben aller Zeiten ist „Deep Purple in Rock“, welches 1970 erschien. In Stücken wie „Speed King“ oder „Child in Time“ zeigt Jon Lord, wie die Band mit dem Spiel seiner Hammond-Orgel Hochspannung erzeugt und wie ein Hochgeschwindigkeitszug des Rock daher braust.
Mitte der 70er Jahre verließen Jon Lord im Gegensatz zu den kreativen Köpfen Ritchie Blackmore und Ian Gillan nicht Deep Purple.  Nach deren Weggang wurde der Sound weicher und mehr von Blues durchsetzt. An den Erfolg vorheriger Zeiten konnte Deep Purple danach nicht mehr anknüpfen.
Letzten Montag starb Jon Lord im Alter von 71 Jahren an Bauchspeicheldrüsenkrebs.


Dienstag, 3. Juli 2012

Kreuzgang (2)

Unscheinbar versteckt, bin ich bei einer meiner Radtouren in Königswinter-Oberpleis an einer alten Klosteranlage vorbeigekommen. Da das schmiedeeiserne Tor offenstand, konnte ich einen Blick in den Kreuzgang hineinwerfen. In meinem Blog vom 14. Februar hatte ich den Kreuzgang an der Bonner Münsterkirche gezeigt. Der Westflügel des Kreuzgangs in Königswinter-Oberpleis stammt aus derselben Epoche (12. JH) wie derjenige in Bonn und ähnelt diesem auch optisch. In einer Oase der Ruhe spüre ich, wie in diesem Kreuzgang die Zeit still zu stehen scheint.






… Westflügel …

 
… Rundbögen …


… Kirche (Teile stammen aus dem 9. – 12. JH) …

 
… Kapitell …


… Grabplatte …


… Pfarrbüro …