Donnerstag, 28. Juni 2012

die Frau mit dem Einkaufstrolley

Einkaufen im Supermarkt. Am Eingang war mir diese Frau mit dem Einkaufstrolley aufgefallen, den sie mit dem Einkaufswagen hinter sich herschleppte. Ihre Schritte schlurften über den Boden, als hätte sie Blei in den Füßen. Sie atmete schwer. An dem Einkaufswagen krallte sie sich fest, als könnte sie unter der Last des Einkaufstrolleys zusammenbrechen. Ihr Bewegungsapparat zeigte das Reaktionsvermögen einer Schlaftablette.

Ihr wahres Alter versteckte sie hinter ihrem wasserstoffblond gefärbten Haar. Wahrscheinlich sollte dies die zielgerichtete Botschaft sein, dass sie steinalt war. Alt und leidend. Ein Leben zum Jammern. Von allen schlecht geredet. Verschwommen und verwischt waren ihre Gesichtszüge, doch mit ihren weichen Partien um Mund und Augen hatte sie durchaus noch etwas Mädchenhaftes. Ihr Alter war schwierig einzuschätzen, vielleicht Ende 40 bis Anfang 50. Frech war ihr Blick. Tropfen von Schweißperlen standen auf ihrer Stirn.

War sie krank ? Bandscheibenvorfall ? Asthma ? Diabetes ?

Nachdem ich an der Käsetheke meinen Käsevorrat wieder aufgefüllt hatte, entdeckte ich sie am Leergutautomaten wieder. Ich beobachtete, wie sie im Zeitlupentempo leere PET-Flaschen aus ihrem Einkaufstrolley holte. Dabei war es jedes Mal eine aufwändige Stocherei, bis sie eine leere Flasche gefunden hatte. Misstrauisch begutachtete sie dann minutenlang den Automaten, wenn sie eine weitere PET-Flasche hinein warf. Als die Meldung „ALARM“ erschien, wurde sie vollends aus der Kurve geworfen. Zu keiner Reaktion fähig, blieb sie angewurzelt stehen. Mit der Fehlermeldung erstarrte ihr Blick, bis ein Verkäufer aufkreuzte, den Automaten entleerte, der anschließend mit neuem Leergut befüllt werden konnte.

Die Frau mit dem Einkaufstrolley ließ mich nicht los, denn an der Kasse war sie einige Kunden vor mir an der Reihe.

„5,72 €“ hatte ich mitbekommen, wieviel sie zu bezahlen hatte.
Ein Seufzer überfiel sie, dann beugte sie sich zur Kassiererin hinüber, kniff ihren Bauch ein. Sie rang nach Luft und überprüfte den Preis auf dem Display, der derselbe war. Dann scharte sie in ihrer abgewetzten Geldbörse herum, suchte Münze für Münze. Zwischendurch tat sich gar nichts – entweder fand sie die Münzen nicht oder sie hatte vollends den Überblick verloren.

Die Warteschlange wuchs. Wut und Ärger machten sich bei den Wartenden breit.
„5,50 € … 5,60 € … „ stammelte die Frau vor sich hin, bis sie kapitulierte. „20 €, ich hab’s nicht klein“.

So wie beim Eintreten -  bewegte sie sich nun mit der Schwerfälligkeit eines Rhinozeros von der Kasse weg. Eine gefühlte Ewigkeit brauchte die Frau, bis sie Brot, Joghurt, Salat und ein bisschen Obst in ihrem Einkaufstrolley verstaut hatte.

Ein wenig später, staunte ich draußen nicht schlecht. Eine weitere Begegnung in der Fußgängerzone. Auf einem Poller aus Beton saß die Frau in sich zusammen gesunken und gönnte sich eine Ruhepause. Ihren Einkaufstrolley in der rechten Hand, eine Zigarette in der linken Hand, war nun Zeit für eine Zigarettenpause. Gleichgültig auf einen plätschernden Brunnen starrend, sog sie den Rauch ein, pustete ihn wieder aus und qualmte dabei wie ein Schlot. Dabei sah ich, wie sich ihre Lippen bewegten. Sie murmelte etwas vor sich hin und meditierte mit sich selbst wie Mönche in einem Kloster. Offensichtlich hatte sie sich selbst jede Menge zu erzählen.

Dienstag, 19. Juni 2012

wie eine Meerjungfrau

Der Rollstuhl passte gar nicht ins Bild. Einen Augenblick dachte ich, dass er ins Schwimmbecken hinein plumpsen würde, denn von der Kante des Nichtschwimmerbeckens schwappte Wasser an die Räder, wenn herum tobende Kinder Wellen schlugen. Ihr Sohn legte sich mächtig ins Zeug: zum Schwimmen reichte es nicht, doch er ruderte mit den Armen, schlug mit den Beinen ins Wasser, das in ein unkoordiniertes Herumgespritze ausartete.

Es war ein elektrischer Rollstuhl. Lehne und Sitzfläche breiteten sich komfortabel aus, darunter versteckte sich der Motor in einem blauen Kasten. Die großen Räder ließen Leistung und PS vermuten.

Ihre Bewegungen im Nichtschwimmerbecken erinnerten mich an eine Fernsehsendung, die unsere Kleine gerne sah: H2O – plötzlich Meerjungfrau. Junge Mädchen spielten in der Fernsehsendung. Außerhalb des Wassers waren sie ganz normale Menschen. Wenn sie ans Wasser kamen, verwandelten sie sich in Meerjungfrauen mit Schwimmflossen und konnten endlos unter Wasser tauchen.

Sie war noch jung, um die 40. Ihr Gesicht trug scharf gezeichnete Züge: ihr rundes Kinn stach heraus, ihre festen Backenknochen schoben sich bis zu ihrem Mund, die Falten auf ihrer Stirn lagen dicht zusammen. Ihre langen, schwarzen Haare reichten weit über ihre Schultern hinab. Mollig war sie, fast schon dick, und ihr massiger Körper tauchte unter Wasser.

Sie hatte keine Schwimmflosse, aber beide Beine zusammengeklemmt. Auf und ab schwammen ihre Beine, sie verliehen ihr Sicherheit. Wie bei einer Meerjungfrau, verdrängten ihre Beine mit einem Minimum an Bewegung das Wasser. Die Schwimmbewegungen ihrer Arme waren glatt, geschmeidig, voller Anmut, leicht, spielerisch, schwebend über dem Wasser. Das sah routiniert aus – ihr Körper befand sich in einem Gleichgewicht. Die Situation hatte sie im Griff, denn wenn ihre Beine nicht mehr gehorcht hätten, hätte sie festen Boden unter den Füßen gehabt – schließlich befand sie sich im Nichtschwimmerbecken.

Der Kraftakt begann, als sie das Schwimmbecken verlassen wollte. Bis zu den Treppenstufen schwamm sie. Mit den Händen krallte sie sich am Geländer fest, sie griff nach einer Krücke am Beckenrand. Hell wie Silber, schillerte der Stiel der Krücke, als diese unter Wasser getaucht war. In der linken Hand die Krücke, die rechte Hand am Geländer, musste sie nun ihren Körper aus dem Schwimmbecken bewegen. Doch er weigerte sich hartnäckig. Wie betäubt blieb er im Wasser stehen, und erst jetzt realisierte ich, dass sie ab der Hüfte querschnittsgelähmt war. Es war eine Energieleistung, als müsste sie zentnerschwere Gewichte schleppen. Nach vorn gebeugt, zerrte sie ihren Körper vorwärts, Treppenstufe für Treppenstufe. Wahrscheinlich fluchte sie innerlich, dass die Beine nicht gehorchten, wieso zuvor im Schwimmbecken alles leicht beschwingt klappte und nun vollständig missriet. Aus dem Schwimmbecken heraus gekrochen, bäumte sich eine letzte Hürde auf: der Rollstuhl. Mental hatte sie sich im Griff. Ihre Gesichtszüge waren wie versteinert, Hochspannung und Konzentration wie beim Elfmeterschießen beim Fußball. Eine knappe, unscheinbare Drehung auf Krücken, und ihr Gesäß und ihr Oberkörper waren im Rollstuhl angekommen.

Sie lehnte sich zurück, und ihr fahriger Gesichtsausdruck bekam weichere Töne. Auf der Armlehne zirkelte sie mit ihren Fingern herum. Unter dem blauen Kasten begann der Motor zu surren. Eine Weile zögerten die Räder, bis sie den Rollstuhl nach vorn bewegten.

Die Frau hatte bemerkt, dass ich sie beobachtet hatte. Für einen kurzen Augenblick trafen sich unsere Blicke. Wahrscheinlich haben wir uns blind verstanden. Achtung und Bewunderung habe ich ihr entgegen gebracht, das war eine enorme körperliche Höchstleistung. Zufrieden lächelte sie, und in ihrem Rollstuhl schlich sie sich leise in die Umkleidekabine. Brav, diszipliniert, ohne ein Wort zu sagen, trottete ihr Sohn hinterher.

Montag, 18. Juni 2012

Wochenrückblick #24

Im Fernsehen
Gestern Abend wurde auf ARTE an den 40. Todestag von Margaret Rutherford erinnert;  ihr wurde ein kompletter Themenabend gewidmet. Durch die Verfilmungen von „Miss Marple“ war sie in den 60er Jahren bekannt geworden. Ihre Schlagfertigkeit, Entschlossenheit und Geistesgegenwart, mit der sie als Hobbydetektivin ihre Kriminalfälle gelöst hat, habe ich seit jeher bewundert. Gezeigt wurde unter anderem die Verfilmung von „16 Uhr 50 ab Paddington“. Von dem Themenabend habe ich leider nicht allzu viel mitbekommen, da parallel das EM-Spiel Deutschland gegen Dänemark gezeigt wurde. Fußball genießt in einem solchen Fall doch eine höhere Priorität.

Erdbeeren
Bei schönem Wetter ist derzeit auf den Feldern hinter unserem Ort die Hölle los, denn die Erdbeeren sind reif und dort kann man selbst Erdbeeren pflücken. Wegweiser mit einer Erdbeere führen von weithin zu den Feldern. Bei schönem Wetter sorgen Einweiser dafür, dass jedes Auto einen ordnungsgemäßen Parkplatz findet und dass man den richtigen Weg zu den Erdbeeren findet. Körbe- und eimerweise tragen Familien mit Kind und Kegel die leckeren Köstlichkeiten wieder nach Hause. Am Verkaufsstand – ohne selbst zu pflücken – holen wir uns die Erdbeeren. Wir genießen aber auch Erdbeeren aus unserem eigenen Garten. Im Handumdrehen ist eine Tagesportion Erdbeeren aufgegessen !

Wilde Müllkippe
Erst waren es Porzellanscherben auf der Straße, auf die ich als Fahrradfahrer sensibel reagiere. Dann traute ich meinen Augen nicht, als ich in das schmale Waldstück hineinschaute: ein Zeitgenosse wusste wohl nicht so richtig, wohin er seinen Bauschutt entsorgen wollte. Möglicherweise fehlte das Geld für einen Container, wahrscheinlich dauerte es ihm auch zu lange, um den Bauschutt stückchenweise – verteilt über mehrere Monate – in den Restmüll zu entsorgen. Mitten vor das Waldstück hatte er seinen Bauschutt entsorgt. Sonst kenne ich so etwas eigentlich nur von früheren Spanien-Urlauben (selbst dort ist es im Verlauf der Jahre immer seltener geworden). Das werde ich mit Foto und Standort im Verlauf des Tages dem Ordnungsamt mitteilen  - hoffentlich können die den Verursacher herausfinden.

Schwimmkurs
Seit April läuft der Folgekurs für unser kleines Mädchen. Der Kurs macht ihr sehr viel Spaß, und wahnsinnig gerne plantscht sie im Wasser herum. Zuletzt hatte mir der Schwimmlehrer gesagt, dass sie den Dreh, mit den Beinen richtig zu schwimmen, noch nicht herausgefunden hat. Dreimal findet der Kurs noch statt, danach müssen wir sehen, wie es mit der Schwimmerei weiter geht. Inwieweit es uns als Eltern gelingt, ihr schwimmen beizubringen, vermag ich nicht einzuschätzen. Momentan betrachte ich dies nicht als tragisch, da unser Mädchen ja erst sieben Jahre alt ist und irgendwie bestimmt demnächst schwimmen lernt.

Rasenmäher
Als das Frühjahr begonnen hatte und wir unseren Rasen das erste Mal mähen wollten, ist unser Benzin-getriebener Rasenmäher nicht angesprungen. 2 Jahre alt ist unser Rasenmäher, und die Ursache hatte ich bei meiner allgemeinen Schludrigkeit schnell gefunden: unser Rasenmäher war noch nicht gewartet worden. Mit Hilfe der Gebrauchsanweisung glaubte ich, selbst die Wartung durchführen zu können. Als erstes musste der Zustand der Zündkerzen überprüft werden. Um die Zündkerze heraus zu schrauben, stieß ich schnell auf Probleme, da ich keinen Zündkerzenschlüssel besaß. Für eine einmalige Aktion wollte ich mir dieses Werkzeug nicht kaufen, daher habe ich in unserer Autowerkstatt nachgefragt. Daraufhin stellte mir der freundliche Junior-Chef eine passende Nuß zur Verfügung. Als ich mit der Nuß zu Hause die Zündkerze herausschrauben wollte, fehlte mir aber ein passender Maulschlüssel (die Größe war zu groß und ich besaß nur Maulschlüssel, die zu klein waren). Diesen erhielt ich bei unserem Nachbarn, der mir freundlicherweise die passende Größe zur Verfügung stellte. Zündkerze gewechselt, der Rasenmäher sprang immer noch nicht an. Der nächste Arbeitsschritt bei der Wartung war ein Ölwechsel. Im Baumarkt besorgte ich mir Motoröl (für Rasenmäher, ist anderes Motoröl wie für PKW). Richtig durchdacht hatte ich aber nicht, wie ich genau den Ölwechsel durchführen wollte und wohin mit dem Alt-Öl. Diskussion mit meiner Frau: „in welches Behältnis ?“ … „leere Dosen haben wir genug“ … „die Dose ist aber offen“ … „dann muss ich etwas geschlossenes nehmen“ … „nein, du brauchst so ein Art Ölwanne, die flach ist … wie ich dich kenne, fließt etwas daneben und dann versaust du die ganze Garage“ … „hmmm“ … „aus dieser Ölwanne musst du das Öl in das geschlossene Behältnis so umschütten, dass nichts daneben läuft …“. Bei dieser Diskussion habe ich kapituliert. Zumal ich kein geborener Handwerker bin. An manches traue ich mich heran. Aber wenn der Plan, wie ich es machen will, so viele Lücken aufweist, lasse ich es lieber sein. Ich habe den Rasenmäher in das Geschäft gebracht, wo wir ihn gekauft haben. Letzten Samstag sind wir angerufen worden, dass der Rasenmäher wieder läuft.

Song der Woche
Als nach dem Fußballspiel Deutschland gegen die Niederlande bei Markus Lanz getalkt wurde, war auch Wolfgang Niedecken als FC-Fan dabei. Danach hatte ich Lust bekommen, in einige Stück von BAP hinein zu hören. Meine Auswahl fiel auf „Ne schöne jroooß“:

Ne schöne Jrooß ahn all die, die unfählbar sinn,
vun nix en Ahnung hann, die ävver, immerhin
su dunn als ob,
weil op Fassade, do stonn se halt drop.

Ich kenne etliche Zeitgenossen, die genau in dieses Bild hinein passen.