Einkaufen im Supermarkt. Am Eingang war mir diese Frau mit dem Einkaufstrolley aufgefallen, den sie mit dem Einkaufswagen hinter sich herschleppte. Ihre Schritte schlurften über den Boden, als hätte sie Blei in den Füßen. Sie atmete schwer. An dem Einkaufswagen krallte sie sich fest, als könnte sie unter der Last des Einkaufstrolleys zusammenbrechen. Ihr Bewegungsapparat zeigte das Reaktionsvermögen einer Schlaftablette.
Ihr wahres Alter versteckte sie hinter ihrem wasserstoffblond gefärbten Haar. Wahrscheinlich sollte dies die zielgerichtete Botschaft sein, dass sie steinalt war. Alt und leidend. Ein Leben zum Jammern. Von allen schlecht geredet. Verschwommen und verwischt waren ihre Gesichtszüge, doch mit ihren weichen Partien um Mund und Augen hatte sie durchaus noch etwas Mädchenhaftes. Ihr Alter war schwierig einzuschätzen, vielleicht Ende 40 bis Anfang 50. Frech war ihr Blick. Tropfen von Schweißperlen standen auf ihrer Stirn.
War sie krank ? Bandscheibenvorfall ? Asthma ? Diabetes ?
Nachdem ich an der Käsetheke meinen Käsevorrat wieder aufgefüllt hatte, entdeckte ich sie am Leergutautomaten wieder. Ich beobachtete, wie sie im Zeitlupentempo leere PET-Flaschen aus ihrem Einkaufstrolley holte. Dabei war es jedes Mal eine aufwändige Stocherei, bis sie eine leere Flasche gefunden hatte. Misstrauisch begutachtete sie dann minutenlang den Automaten, wenn sie eine weitere PET-Flasche hinein warf. Als die Meldung „ALARM“ erschien, wurde sie vollends aus der Kurve geworfen. Zu keiner Reaktion fähig, blieb sie angewurzelt stehen. Mit der Fehlermeldung erstarrte ihr Blick, bis ein Verkäufer aufkreuzte, den Automaten entleerte, der anschließend mit neuem Leergut befüllt werden konnte.
Die Frau mit dem Einkaufstrolley ließ mich nicht los, denn an der Kasse war sie einige Kunden vor mir an der Reihe.
„5,72 €“ hatte ich mitbekommen, wieviel sie zu bezahlen hatte.
Ein Seufzer überfiel sie, dann beugte sie sich zur Kassiererin hinüber, kniff ihren Bauch ein. Sie rang nach Luft und überprüfte den Preis auf dem Display, der derselbe war. Dann scharte sie in ihrer abgewetzten Geldbörse herum, suchte Münze für Münze. Zwischendurch tat sich gar nichts – entweder fand sie die Münzen nicht oder sie hatte vollends den Überblick verloren.
Die Warteschlange wuchs. Wut und Ärger machten sich bei den Wartenden breit.
„5,50 € … 5,60 € … „ stammelte die Frau vor sich hin, bis sie kapitulierte. „20 €, ich hab’s nicht klein“.
So wie beim Eintreten - bewegte sie sich nun mit der Schwerfälligkeit eines Rhinozeros von der Kasse weg. Eine gefühlte Ewigkeit brauchte die Frau, bis sie Brot, Joghurt, Salat und ein bisschen Obst in ihrem Einkaufstrolley verstaut hatte.
Ein wenig später, staunte ich draußen nicht schlecht. Eine weitere Begegnung in der Fußgängerzone. Auf einem Poller aus Beton saß die Frau in sich zusammen gesunken und gönnte sich eine Ruhepause. Ihren Einkaufstrolley in der rechten Hand, eine Zigarette in der linken Hand, war nun Zeit für eine Zigarettenpause. Gleichgültig auf einen plätschernden Brunnen starrend, sog sie den Rauch ein, pustete ihn wieder aus und qualmte dabei wie ein Schlot. Dabei sah ich, wie sich ihre Lippen bewegten. Sie murmelte etwas vor sich hin und meditierte mit sich selbst wie Mönche in einem Kloster. Offensichtlich hatte sie sich selbst jede Menge zu erzählen.