Ist sich der Junge seiner Rolle bewusst ? Weiß er, was er in NRW bewegt – oder auch nicht ? Die Blicke treffen sich nicht. Gespannt schaut er unter seiner roten Kappe Norbert Röttgen an, der wiederum seinen Blick abwendet zum Betrachter hin. „Politik aus den Augen unserer Kinder“, was will er damit vermitteln ? Soll NRW Kind-gerechter gestaltet werden ? Soll Kindern mehr Mitbestimmung gewährt werden ? Das Wechselspiel der Blicke irritiert mich; Norbert Röttgen grinst mich zwar an, aber mein eigener Blick verläuft ins Leere.
Ein wenig streng und zielgerichtet ist demgegenüber Hannelore Krafts Blick. Dabei wirkt ihr Lächeln gekünstelt, ihre Frisur sitzt perfekt. NRW im Herzen, das fügt sich zu einer Gesamtkomposition zusammen aus ihrem Portrait, ihrem Lächeln und dem Schriftzug. Der Rest des Wahlplakats ist langweilig und stereotyp: der blasse Hintergrund, der die matten Farbtöne überwiegen lässt, dieses Zurechtgerückte, dieses Arrangierte für den Augenblick. Und nicht mehr.
In dieser stereotypen Grundstimmung gehen allgemein die Botschaften der Parteien unter. „Vertrauen, Kompetenz, Nachhaltigkeit“, „für ein gerechtes NRW“, „mehr Kindergartenplätze – gut für NRW“, „Schluss mit der Politik auf Pump“, „lieber etwas bewegen als im Stau ersticken“, "jede Kraft braucht einen Antrieb", ja, klar, das ist schön, das wünschen wir uns alle, über alle Parteien hinweg klingt dies aber wie über einen Kamm gebürstet. Genauso hohl wie Werbebotschaften, die sich nach dem Konsum wieder in ein Nichts verflüchtigen. „Erst kommt der Mensch, dann kommt der Markt“, das ist eine der wenigen Ausnahmen bei den Piraten, doch ihre übrigen Botschaften wimmeln genauso von Stereotypen.
Wahlkampf in NRW, und mit einem Mal gerate ich als Wähler ins Visier der Parteien. Seitdem ich wählen gehe, mache ich bei Bundes-, Landtags-, Kommunal-, Europawahlen dasselbe Spielchen mit, dass sich im Zeitverlauf nicht verändert hat. Möglichst diffuse und nichtssagende Botschaften. Einen möglichst hohlen Oberbegriff wählen, von dem sich alle angesprochen fühlen. Sich nicht festlegen. Bloss nicht konkret werden. Nichts in den Raum stellen, was im nachhinein kontrolliert werden kann. Seitdem ich wähle, habe ich den Eindruck mit einer glitschigen Wabbelmasse von Politikern zu tun zu haben, die selten die Verantwortung übernimmt und wenn es kritisch wird, in eine Sphäre zu entweichen versucht, die frei ist von messbaren Größen, um ihnen etwas nachzuweisen.
Nach welchen Kriterien wähle ich ? Wählen ist bei mir zu einer starren Gewohnheit geworden, denn ich habe immer dieselbe Partei gewählt. Dabei betrachte ich mich als unpolitisch dahingehend, dass die Politik wiederum durch weitere Wechselwirkungen getrieben ist. Und dass ich die ganzen Verfahren des Regierens, der Willensbildungen im Parlament oder der Gesetzgebungsverfahren nicht vollständig im Detail mitverfolge – weil ich mich hier wie sonstwo mit Informationen zugeschmissen fühle. Ich gebe zu, dass ich in Debatten zu Einzelthemen nicht ausreichend Stellung beziehen könnte und ich gebe auch zu, dass es sicherlich gegenläufige Ansichten zu meiner Wahlentscheidung geben wird, die ich an irgendeinem Punkt nicht mehr vollständig widerlegen kann. Erschwerend kommt hinzu, dass die großen Parteien immer stärker zusammenrücken und dass sich die Unterschiede verwischen. Dabei ist Wählen immer noch eine Errungenschaft unserer Demokratie. Und die Menschen sollten wählen – und nicht aus Protest zu Hause bleiben.
Landespolitik – da habe ich schon Probleme bei der Auswahl der Themen, welche landesspezifisch sind und nicht bundesspezifisch. Bildung, innere Sicherheit, das ist mir noch klar, aber welche weiteren Kompetenzen nach welchen Kriterien zwischen Bund und Ländern aufgeteilt sind, das erscheint mir wie ein bürokratisches Monstrum. Oft bekomme ich dies nur punktuell mit, wenn mich gerade etwas persönlich betrifft – wenn etwa den Kommunen Geld fehlt, um Schlaglöcher auf den Straßen auszubessern oder wenn die Studiengebühren an Universitäten abgeschafft worden sind. Das Top-Thema in der Landespolitik – das ist die Verschuldung von NRW. Doch da lehne ich mich mittlerweile gelassen zurück, denn dies ist auf europäischer Ebene dieselbe Diskussion. Frankreich, Spanien, sogar die Niederlande, die alte makroökonomische Diskussion von höherem Wirtschaftswachstum und höherer Verschuldung ist dort wieder aufgelebt. Diese volkswirtschaftlichen Theorien sind nicht ganz so einfach zu durchdringen – meine Schlüsse für NRW werde ich später ziehen.
Selbstbewusst und optimistisch schaut Norbert Röttgen seine Wähler an. Aus ihrem tiefsten inneren, im Herzen NRW, versprüht Hannelore Kraft nicht weniger Optimismus. Nächsten Sonntag ab 18 Uhr wissen wir mehr.
Ich habe den Eindruck gewonnen, dass die Politiker nichts anderes als Wahlkampf betreiben und zwar immer und vier Jahre lang :))
AntwortenLöschenSchönen Tag! ♥lichst Zaunwinde
Ich habe den Wahlomaten zu schätzen gelernt. Ich bin nämlich kein loyaler Wähler - mich muss man mit seinem Programm überzeugen. Jedes mal neu. Weil ich die aber nicht alle lesen und auswerten kann, lasse ich das die Wahlomat-Leute für mich machen, wichte meine Themen und bekomme am Ende Vorschläge, welche Partei (oder besser welches Wahlprogramm) meine Vorstellungen am ehesten umsetzen könnte (vage genug?).
AntwortenLöschenBisher war das immer ziemlich eindeutig, eine Partei hatte immer die Nase vorn - diesmal liegen mehrere gleich auf. Das liegt wohl daran, dass sie sich gar nicht soooo weit voneinander unterscheiden und andererseits alle eben unverbindlich und schwammig bleiben.
Nun ja, ich habe ein persönliches Problem mit Frau Kraft - aber das steht hier nicht zur Debatte. Bloß gut, dass ich schon briefgewählt habe. Auf das Ergebnis bin ich sehr gespannt, obwohl es mir diesmal ziemlich egal sein kann, weil ich im Sommer meinen Lebensmittelpunkt in ein anderes Bundesland verlege. Aber man wünscht dem Land ja Gutes.
Wochenendgrüße! N.
Hej Dieter,
AntwortenLöschenzuerst mal Glückwunsch zu diesem pointierten Blogbeitrag in Sachen Wahlen. Leider funktioniert der Kampf um des Wählers Gunst anderwo auch nicht besser. Wahlkrampf statt Wahlkampf mit markigen Sprüchen, einzig die Mentalität des Volkes unterscheidet sich und die ist hier seeeeeeeeeehr geduldig, leider !!!!!!
Schöne Grüße zum Wochenende
Beate
ich finde deine Beschreibung der Wahlplakate - und die Gefühle wie das alles so bei einem ankommt - sehr gelungen! Auch deine Gedanken zum eigenen Wahlverhalten. Toll geschrieben.
AntwortenLöschenauch von mir liebe Grüße zum Wochenende - Heidi-Trollspecht
Ich ärgere mich immer über die niedrigen Wahlbeteiligungen. Unsere Vorfahren haben für die Mitbestimmung noch richtig kämpfen müssen und heute bleiben viele aus Bequemlichkeit, nennt man aber pro forma lieber Politikverdrossenheit, zuhause. Auch Nichtwähler wissen, was sie wollen oder nicht wollen und sollten dies entsprechend dokumentieren. Viele Menschen in anderen Ländern kämpfen heute noch um ein Wahlrecht.
AntwortenLöschenHoffentlich gibt es keinen neuen Negativrekord, sonst sollte man mal über eine Wahlpflicht nachdenken, zu Ehren unserer Vorfahren.
LG und einen schönen Wahlsonntag!
Arti
Oh, dass gefällt mir "...glitschigen Wabbelmasse von Politikern"
AntwortenLöschenIch spreche den Menschen, die in die Politik gehen nicht ab, dass sie echt den Willen haben , dass es in unserem Land für alle besser werden soll, doch so bald sie auf dem gewünschten Stuhl sitzen, wandelt sich das Hirn und sie sehen nur noch in eine Richtung, nämlich in die Richtung des Finanzkapitals, das ihnen zuflüstert, mehr Geld für uns, mehr Geld, sie sind gelähmt und sagen sich so wollen wir es tun und auch etwas von dem riesigen Geldsegen haben.
Wie bei einem Schlaganfall, wird die Seite ausgeblendet auf der das Volk steht, nur noch die Geldseite ist zu sehen.
Wie lange wollen wir uns noch vom Finanzkapital regieren lassen?
Ich wünsche Euch ein entspanntes Wochenende, freut Euch am schönen Wetter, liebe Grüße Ulrike
Die Wahlbeteiligung war ja wie in den Vorjahren nicht berauschend.
AntwortenLöschenAuf der einen Seite sollten wir froh sein, dass wir ein Wahlrecht haben und sollten davon auch Gebrauch machen, auf der anderen Seite, denke ich, sind es viele Menschen überdrüssig geworden, wählen zu gehen, da die zuvor gemachten Wahlversprechen sowieso nicht eingehalten werden und das gilt durch die Bank für alle Parteien.
Es ist in der Tat immer wieder das gleiche Spiel, die Wahlversprechen dienen dazu, an die Macht zu kommen und aus der Oppostion heraus lässt sich sowieso immer alles leichter kritisieren.
Nun, NRW hat gewählt und schon zieht man Parallelen zu Berlin. Profitiert vom Wählerfrust haben auf alle Fälle die Piraten.
Dann kann Hannelore Kraft ja jetzt beweisen, ob und wie sehr sie NRW im Herzen hat.
Liebe Grüße
Christa